Freitag, 12. Februar 2010

Fliegende Bleche I

Die BILD-Zeitung hatte sich vor einiger Zeit mit der Unterstützung eines Fotoapparates im Rund der 139 Stuttgarter Landtagsabgeordneten umgesehen. Heraus kam ein Artikel unter dem bezeichnenden Titel "Surfen, schwatzen, dösen - so langweilen sich unsere Abgeordneten". Wörtlich hieß es da: "Nach der Pause nutzte FDP-Mann Hagen Kluck (67) den 'Hasenstall' (so wird der Plenarsaal genannt) für ein Nickerchen. Wirtschaftsminister Ernst Pfister (63, FDP) sprang von der Regierungsbank und weckte ihn". FDP-Mann Gluck hieße nicht Hagen, wenn ihn das kalt gelassen hätte. Dem TAGBLATT sagte er einen Tag später erregt und empört über den BILD-Artikel: "Wenn ich schlafen will, mache ich das nicht im Plenarsaal sondern in einem der Klub-Sessel in der Lobby."

Ich mutmaße mal, dass Ihnen auch das Folgende gefallen wird:
Dass ein Mensch bei uns in Deutschand, so lange als "mutmaßlicher" Täter zu gelten hat, bis er von einem ordentlichen Gericht für seine Tat rechtskräftig verurteilt wurde, ist hinlänglich bekannt und fußt auf der Unschuldvermutung. - Dass in Zeitungen oft und viel Blödsinn steht, das wissenwir auch. Trotzdem überrascht gelegentlich, wie Zeitungen mit der Unschuldvermutung umgehen. Da heißt es etwa in der...ich sage es jetzt lieber nicht...Zeitung: "Unbekannte legten Absperrgitter auf Gleiskörper: Die Fahndung nach den mutmaßlichen Tätern läuft." oder mann muss lesen: "19-Jähriger in der Innenstadt erstochen: Der mutmaßliche Täter ist unbekannt." oder: "Zu Tode geprügelt wurde der Fernsehstar in seiner New Yorker Wohnung gefunden. Augenzeugen zufolge soll es vor der mutmaßlichen Tat zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und seiner Begleitung gekommen sein." - Ja, ja. Es steht oft und viel Blösinn in unseren Zeitungen.

Aber das Fernsehen ist ja nicht viel besser. Tatort: Fußballendspiel Spanier gegen Holland. Aussage des Reporters: "Man kann jetzt schon sagen, dass es in einem Endspiel noch niemals so viele gelbe Karten gegeben hat. Zumindest nicht bei dieser WM." Ja, dafür lieben wir unsere Führungskräfte am Mikrofon.

Über TV-Bilder kann man sich ja bekanntlich trefflich streiten. Meistens machen dies in TV-Talkshows zwei Politiker, ein Politikwissenschaftler und ein Politikforscher. Der eine Politiker ist oft Gregor Gysi. Das Ganze hört sich dann in etwa so an:

MODERATORIN = Auf der Aufnahme sieht man zwei Demonstranten vor dem Reichstagsgebäude. Einer trägt ein Schild, auf dem "Ich wähle links" steht. Was sagt uns das?

POLITIKFORSCHER = Das Foto sagt uns, dass rund 50 Prozent der Demonstranten vor dem Reichstag links wählen.

POLITIKER = Also, ich sehe nur einen der links wählt.

GREGOR GYSI = Das ist ja jetzt Quatsch. Mindestens einer von denen wählt ja wohl links. Und der andere traut sich halt im Moment nicht, sich auch dazu zu bekennen.

POLITIKWISSENSCHAFTLER = Eines ist klar, meine Herren: vor dem Reichstag gibt es mindestens einen Demonstranten, der vorgibt links zu sein. Wie es in ihm tatsächlich aussieht und was er früher gewählt hat, bedarf noch einer genaueren Analyse.

Übrigens: In Wien will die Friedhofsverwaltung mir der Abwärme des Krematoriums die Heizung ihres Verwaltungsgebäudes speisen, anstatt sie ungenützt durch den Rauchfang zu blasen. Ich finde das zumindest ökonomisch vernünftig.

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