Mittwoch, 14. Januar 2009

Humor kann man lernen, der Rest ist Begabung

In den 80er Jahren hat der von mir erfundene (und - nebenbei bemerkt - vor wenigen Wochen verstorbene) Sänger Charly Davidson einen Hit gehabt, der hieß 'Buschmann'. Obwohl es sich eine Woche vor dem Amtsabtritt von George W. Bush anbieten würde, schreibe ich unter dem Eindruck dieses Songs nichts über diesen Mann, sondern etwas über das aktuelle RTL-Dschungelcamp "Hol mich hier raus, ich bin ein Star".

Wer zum allerersten Mal eine Folge von "Ich bin ein Star. Holt mich hier raus!" verfolgt, dem sei vorweg gesagt, dass sich hier keine Stars von heute die Ehre geben, sondern (... gab es vor Jahrzehnten im ZDF nicht mal die "Western von gestern. Zu Wegwerfen zu schade"?) Sternschnuppen von früher, zum Verglühen immer noch gut genug. Wie auchimmer. Jedenfalls geht es hierbei, anders als man annehmen könnte, nicht darum, dass jemand sagt
"Hol mich hier raus, ich bin ein Star", sondern, die Leute rutschen alle freiwillig in den RTL-Promi-Pranger rein, wie die Made in den Speck.

Immer, wenn ich mir das anschaue, gerate ich unwillkürlich ins Staunen. Kann das denn wirklich alles wahr sein, was sich da vor des Zuschauers Auge entfaltet? (Nun wird einem auch klar, warum in dem Wort Zuschauer der Schauer enthaten ist). Zum Bleistift Ingrid van Bergen, 77 Jahre alt und Single. Was zur Hölle macht die Frau in diesem Dschungel ... außer natürlich Geld verdienen? Sie vergisst stets, etwas zu trinken, verlegt dauernd ihren Kamm/Schlafsack/Büstenhalter und irrt als Suchende durch den Urwald, wenn sie nicht ständig alte Knast-Geschichten erzählt. Man muss hierzu wissen, dass Frau van Bergen deshalb Single ist, weil sie vor über drei Jahrzehnten erstens im Affekt und zweitens in ihrer Villa am Starnberger See ihren Lebensgefährten erschossen hat. Vor einem viertel Jahrhundert wurde sie aus dem Knast entlassen, daher auch die erwähnten Geschichten.

Kandidatin Zwei, Frau Mausi Lugner, bekannt als Ex-Ehefrau des Wiener Bauunternehmers Richard "Mörtel" Lugner, wehrt sich gegen Ösi-Witze, fühlt sich im Urwald allein gelassen und will mit ihrer Teilnahme an der TV-Show (Zitat) "ein Zeichen des Friedens" vom Camp in die ach so böse Welt schicken. Wahrscheinlich braucht aber auch sie das Geld; man redet von 20.000 Euro Garantiesumme, einfach nur fürs Teilnehmen. Beide Frauen würden jedoch im echten Dschungel nicht einmal drei Tage überleben, sind sie doch noch nicht einmal gemeinsam in der Lage, aus Bambusrohren eine Wasserleitung zu bauen und vergeigen so eine Schatzsuche völlig.

Lorielle London, ein wenig talentierter und inzwischen zu einer Art Frau umoperierter Sänger, heult und lametiert ständig herzerweichend über sein ... entschuldigung ... ihr Dasein, so dass sich der Zuschauer fragt, ob das mit der Geschlechtsumwandlung wirklich eine so gute Idee war. Als Dschungelkönigin würden sich für Lorielle, sagte er/sie, so viele Möglichkeiten im Leben eröffnen. Welche, sagt Lorielle nicht.

Kandidat Günther Kaufmann lebt sein Leben im Urwald so gewissenhaft, als wäre er, wie vor vielen Jahren, der der Verdächtige bei Oberinspektor Derrick. Der Schauspieler Kaufmann saß übrigens auch mal wirklich im Gefängnis, weil er als guter Schauspieler der er unbestritten ist (einst wurde er von Rainer Werner Fassbinder entdeckt), aufgrund
eines falschen Mord-Geständnises zu 15 Jahren Haft verurteilt worden war. Nachdem die tatsächlichen Täter verurteilt worden waren, kam Kaufmann wieder auf freien Fuß. Im Dschungel liegt er meist in der Hängematte, wenn er nicht gerade das stille Örtschen besucht, und genießt das Leben vor Ort, man darf es auch hier annehmen, hauptsächlich wegen des Geldes.

Doch was macht eigentlich mit Norbert Schramm ein renomierter Eiskunstläufer und zweimaliger Europameister im heißen Dschungel? Richig: Geld verdienen. Überhaupt: das Leben in dieser Gruppe und unter diesen erschwerten Bedingungen - es ist wie eine domestizierte menschlicheKatastrophe, bei der mann nicht wegschauen kann, aber richtig helfen hann man auch nicht, denn jeder kostenpflichtige Anruf dient nur dazu, eine Sternschnuppe vor dem Rausschmiss zu retten.

Auch dieses Mal hat RTL wieder im Fundus von fast gescheiterten Existenzen gewühlt und wahre Prachtexemplare gefunden, die neben Bergen, Lugner, London, Kaufmann und Schramm Dschungelkönig werden wollen und dazu jede Menge Humor beweisen müssen. Hoffentlich denken sie daran: Humor kann man lernen, der Rest ist, wie bei jeder Tätigkeit, Begabung. Übrigens muss man sich als Zuschauer keinerlei Gedanken um den weiteren Fortgang der Show machen. Es ist hier so wei immer, bei der leichten Fernsehunterhaltung: Wenn die Quoten stimmen, wird das Spektakel fortgesetzt. Wenn nicht, versinkt die virtuelle Dschungelstadt in der Versenkung. Wie ihre Sternschnuppen.

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