Mittwoch, 17. September 2008

Roll over Beethoven

Sein Name ist Berry. Nicht Black sondern Chuck Berry. Wolf Wondratschek hat ein ganzes Buch über ein schwarzes Zimmer geschrieben ("Chucks Zimmer") und dabei Einblicke in Berrys schwarze Seele gegeben. Nebenbei bemerkt: Der Mann ist Sexist und gelegentlich derart frauenfeindlich ("My Ding-A-Ling"), dass ihm die Creme de la Creme der aktuellen US-Rapper kaum das Wasser reichen kann.

Vorbild war und ist dieser Mann nicht nur für Willy De Villes* Barttracht, sondern vor allem für die Performance auf Rock 'n' Roll Bühnen, die er, Berry, erfunden hat, damals, 1952 im Huff’s Garden, einem Club in St. Louis, als er in das Johnnie Johnson Trio aufgenommen wurde. An der Spitze der Riege seiner Nachahmer stehen Namen wie Keith Richards oder Jimmy Page aber auch Marc Bolan; allesamt manigfaltig schleche Kopien des Originals. Weil ich gerade Richards, Page und Bolan erwähnt hatte: natürlich ist auch Chuck Berry Gitarrist ... und was für einer. Niemals zuvor und kaum jemals danach hat ein Songintro die Qualität, Kraft und Kürze von "Johnny B. Goode" erreicht - selbst "I Suffer" von Napalm Death nicht, der kürzeste Song der Welt. Berrys Riffs und Chords waren schon zu einer Zeit legendär, als andere große Künstler noch in den Windeln lagen (später nahmen die Beach Boys deshalb aus Rache mit "Surfin USA" eine schleche Kopie von "Sweet Little Sixteen" auf).

Stundenlang kann man über Chuck Berrys Songs philosophieren und welchen Einfluss sie auf Künstler und Bands hatten, bis hin zu den "Back in the USSR"-Beatles, die Chucks Musik in Hamburg perfekt zum Aufreißen der Mädels nutzten: "Just let me hear some of that rock an' roll music. Any ol' way you choose it. It's got a back beat, you can't lose it. Any ol' time you use it. It's gotta be rock an' roll music, if you wanna dance with me."
Philosophieren kann man deshalb auch über Chucks Texte und Wortspiele die so einfach und genial sind, wie es der Songtitel "Johnny B. Goode" zeigt, dieses Lied über den 'American Dream', das er einst für seinen Bandboss Johnnie Johnson verfasste.

Es ist die Story eines armen farbigen Jungen vom Lande**, der ohne Schulabschluss, aber einem großen Talent zum Gitarrenspiel, davon träumt, zu einem Star zu werden und viel Geld zu verdienen. Die Geschichte wird von Berry so flott erzählt, dass sie nur knapp zwei Minuten und dreißig Sekunden dauert - andere Autoren hätten darüber ein ganzes Buch veröffentlicht. Legendär wurde Berry als Texter übrigens auch durch sein Bemühen, möglichst viele Städte der USA in seinen Songtexten unterzubringen (was auch den Anlass für "Surfin USA" klärt). Leider gehen Chucks Texte jedoch in seiner Musik für uns, andere Muttersprachen pflegenden, Mitteleuropäer leicht unter. Hausaufgabe für heute deshalb: Mal ganz genau hinhören, was der große alte Mann des Rock 'n' Roll den Menschen so alles schon erzählt hat.


Man braucht jetzt nicht über langanhaltenen Erfolg oder Mißerfolg oder die Gründe für das eine oder andere zu reden. Das hat bei schwarzen Musikern, die zu Zeiten von Elvis Presley diesem die musikalische Tonspur leiferten und dafür geächtet wurden, ohnehin keinen Sinn. Aber Chuck war damals, und damit anders als Elvis oder Bill Halley (mit Ausnahme vielleicht von Buddy Holly) der einzige Mann, der Songs schreiben und sie auf die Gitarre und damit ins Publikum transportieren konnte.

Für all das wurde er vor genau 22 Jahren als erster Musiker in die Rock 'n' Roll Hall of Fame aufgenommen: der Mann aus St. Louis, Missouri, der mit vollem Namen Charles Edward Anderson Berry heißt und den ich als Chuck Berry kennen lernte. Nicht persönlich, aber über das violette Etikett von BELLAPHON Schallplatten. Damals, als es noch Schallplatten gab. Was soll ich noch dazu sagen, außer: Ich liebe ihn - selbst wenn er tatsächlich, was hin und wieder berichtet wird - ein menschliches Arschloch sein sollte.

Auf dass sich Ludwig van B. bei der Musik von Chucky B. noch lange in seinem Grabe umdreht.

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* = pronaunzed: ['devil']
**=zuerst sang Berry "colored boy"; nachdem sein Plattenlabel befürchtete, dass dies dem Plattenverkauf schaden würde, dichtete er es in "country boy" um.

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