Ich will ja nicht zum Propheten werden, aber zu meinem 50. scheint sich etwas anzubahnen, von dem ich nichts erfahren darf. Das ist zumindest mein Gefühl, aber da man sich nicht nur auf sein Gefühl verlassen soll, stützt sich mein Gefühl auch auf folgende sieben Indizien:
1. Indiz: Meine Frau Maria erklärte mir schon vor Wochen, dass sie eine kleine unbedeutende Feier zu meinem 50. Geburtstag organisieren wollte, aber leider hätte zwischen dem 1. und dem 6. Dezember so gut wie niemand aus der Familie und unserem Bekanntenkreis Zeit dafür. Schon gar nicht am Samstag, den 6. Dezember, da dies ja bekanntlich der Nikolaustag sei und da hätten alle überhaupt keine Zeit wegen Nikolaus.
2. Indiz: Ich wurde gestern 50 und man gratulierte mir telefonisch, kaum jemand kam persönlich um zu gratulieren, nur mein Freund Lutz ... und auch der kam zwei Stunden später als angekündigt. Abends saß ich am Schreibtisch und Maria fragte, was denn so dringend sei. Ich zeigte ihr die sieben gerade frisch geschriebenen Briefe an meine Verwandschaft und Freunde, in denen ich ihnen bedauernd mitteilen musste, dass ich, wenn sie mich nicht mehr schätzen würden, auch ich auf ihre Besuche keinen Wert mehr legen würde. Maria war entsetzt.
"Nun warte doch erst mal ab. Vielleicht kommt ja doch noch jemand." "Wann denn? Möglicherweise zu Nikolaus?" fragte ich. "Nein, nein, natürlich nicht", sprach Maria. "Da kann ja niemand. Aber als Ausgleich, weil niemand kommen kann, habe ich eine Überraschung für Dich. Wir gehen zu Nikolaus ins Kino." "Aha", sagte ich. "Und in welchen Film?" "In den neuen Film mit Woody Allen." - Mehr brauchte ich nicht zu wissen. Maria geht freiwillig in einen Woody Allan Film? Das ist ungefähr so wahrscheinlich, als wenn der amerikanische Präsident in China eine Tele-Tubbi-Konferenz eröffnet, wobei dies, wenn ich es mir recht bedenke, sogar noch wahrscheinlicher ist, als das mit meiner Frau und Woody Allan ... was aber vom jeweiligen Präsident abhängt. Ich für meinen Teil wäre übrigens gerne in 'Madagascar 2' gegangen, aber mich kommt es ja nicht an.
3. Indiz: Mein Vater brauchte dringend eine spezielle Beton-Bohrmaschine. Ich habe so eine, aber da er ja in nächster Zeit nicht zu uns kommen konnte oder wollte, hatte ich die Idee, sie ihm mit der Post zu schicken. Maria hörte das und sagte: "Was für ein Quatsch. Gib sie doch Deinem Vater mit, wenn Deine Eltern kommen." Ich schaute Maria ungläubig an. "Äh" machte Maria und fügte nach einer kleinen Sprechpause an. "Äh, wollten Deine Eltern nicht zu Weihnachten kommen." "Nein" antwortete ich ihr.
4. Indiz: Als Maria mich letzte Woche darum bat, von Ihren Schreibtisch ein Buch zu holen, da lag neben dem Buch eine Liste mit Namen, die mir alle wohlbekannt waren. Neben vielen dieser Namen waren Häkchen. Ich habe darüber natürlich kein einziges Wort verloren.
5. Indiz: Meine Frau hat von ihrem Arbeitgeber überraschend mehrere Tage Urlaub bekommen, einfach so, und macht seitdem Weihnachtsputz. Mit jedem Tag wird unser Haus schöner und sauberer. Es ist schon eine Schande, dass niemand aus dem Verwandten- oder Freundeskreis dieses blinkende und blitzende Haus sehen. Eine Schande ist das. Wirklich.
6. Indiz: Auf meine Frage, ob bei meinen Eltern alles klar geht, schauten mich meine Frau und die beiden Kinder mit großen Augen an. "Ich meine mit der neuen Wohnung", sagte ich. "Ach so", antworteten sie. "Mit der neuen Wohnung. Da geht wohl alles klar."
7. Indiz: Maria selbst hat mir noch nichts geschenkt. Sie habe "ein großes Paket" über unsere Tochter bei eBay bestellt und das sei noch nicht angekommen, wie das ja gelegentlch bei eBay der Fall sei. Aber ich solle mir keine Sorgen machen, am Wochenende käme es wahrscheinlich an. Schön, dachte ich mir, aber leider nicht an Nikolaus, denn da hat ja doch keiner Zeit.
Nun stelle ich mir den Samstag folgendermaßen vor: Morgends wird gebacken und gekocht, einfach so, Weihnachtskochen nennt man das. Eine Tradition ohne näheren Hintergrund oder Vorwand. Wahrscheinlich eine alte, kaum bekannte Nikolaustagtradition?
Gegen Mittag werden die Betten frisch überzogen, dann macht sich Maria fein und fordert mich auf, das Gleiche zu tun, weil im Kino ist die Kleidung ja bekanntlicher weise besonders wichtig. Dann werden wir uns Richtung 'Schillerhof' aufmachen, denn dort ist das einzige Kino in 30 Kilometern Umkreis, in dem der neue Woody Allan Film läuft. Praktischerweise verfügt der 'Schillerhof' auch über eine Gaststätte, die aber leider, soviel habe ich durch eine diskrete telefonische Nachfrager erfahren, am Nikolaustag wegen einer geschlossenen Gesellschaft nicht geöffnet hat. Auch Mick, mein Freund und Gitarrengott, der mir, so versprach er es mir im Sommer, gerne zum 50. ein kleines Ständchen gebracht hätte, ist am Samstag ausgebucht, so besagt es seine Internetseite.
In der Nähe des 'Schillerhofs' werden mir dann bereits einige auswärtige Autokennzeichen auffallen (die Parkmöglichkeiten am 'Schillerhof' sind wie immer äußerst eiungeschränkt) und bei den dazugehörigen Fahrzeugen werden Erinnerungen wach. Maria schaut die Auton nichtan und hofft nur, dass ihr niemand die Überraschung für mich verdirbt. Auch ich werde das natürlich respektieren und nicht noch im letzten Moment meine bequeme alte Strickweste anziehen oder darauf bestehen, dass wir ins Kinocenter zu 'Madagaskar 2' gehen.
So gesehen bin ich ein falscher Fünfziger ... oder. Aber ich freue mich schon auf Nikolaus. Und wehe es gibt dann nur einen Film von Woody Allan. Unter einer kleinen, mir gewidmeten, Klarinettenummer von ihm läuft bei mir da gar nichts.
Dienstag, 2. Dezember 2008
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