Freitag, 4. April 2008

Was ich nicht leiden kann

Wissen sie, was ich nicht leiden kann? Das sind so Vertretertypen mit ihren aalglatten, weil mühsam eingebleuten und im täglichen Geschäftsleben verinnerlichten, Sprüchen. Gut, ich sage immer: leben und leben lassen! Aber in Wirklichkeit lassen sie mich - lassen uns - nicht leben, sondern machen uns das Leben schwer. Ich meine die Typen von Vertretern, die alte Menschen so lange bequatschen, bis diese entnervt irgend etwas unterschreiben, egal was auch immer, nur damit die Vertreter wieder den persönlichen Lebenraum ihrer Opfer achten und räumen und diese in Ruhe lassen. Natürlich gibt es auch die aufrichtigen Vertreter, die uns enthusiastisch eine Innovation anpreisen, von er sie selbst noch überrascht scheinen. Meist stehen die am Anfang einer langen Berufskarriere, an deren Ende ihnen ebenfalls die Umsatzquote im Nacken sitzt uns es ihnen nichts mehr ausmacht, der Feuerwehr Feuerlöscher zu verkaufen.

Ein solches Exemplar der Gattung 'Hirudo' hatte es auf mich abgesehen, als ich im Verwaltungstrakt eines Radiosenders wartete, weil mein zuvor vereinbarter Termin von eben diesem Vertreter einer Telekommunikationsfirma wahrgenommen wurde. Ich erfuhr durch die halbgeöffnete Tür etwas über günstige DSL 2000 bis DSL 16000 Flatrate mit und ohne Festnetz und Mobilfunk, die neue Festnetz-Flatrate plus Handy-Flatrate, ISDN-Anschluss gratis und so weiter. "Wir können Ihnen auch das Angebot machen, fünf Pipes zu reservieren. Natürlich werden sie jetzt denken, wozu brauche ich fünf Pipes? Mit dieser Frage habe ich schon gerechnet und ihnen dehalb einmal dieses Beispiel vorbereitet. Wie sie ja sicher wissen benötigt einmal 'googeln' so viel Strom wie eine Energiesparlampe in einer Stunde, eine Figur in der virtuellen Welt 'Second Life' verbraucht pro Jahr mehr Energie wie ein lebendiger Brasilianer, die Stromerzeugung für das gesamte Internet bringt so viel CO2 hervor wie der gesamte globale Luftverkehr. Aber genau da setzen wir ein mit unseren Pipes ..." Nach weiteren drei Minuten war er dann am Ziel und bot dem Radiosender einen Vertrag an, wonach dieser mit allen Nummern und allen Ip-Ports zu 'What-U-Tel' wechseln sollte. Als der Leiter äußerte, dass er das Angebot gerne einmal kopieren wolle und dazu das Büro verlies, fiel der Blick des Vertreters auf mich.

"Und" fragte er zwischen Tür und Angel, "hat der Herr sich auch schon einmal Gedanken gemacht, zu uns zu wechseln? Ich könnte da etwas für sie tun." und fügte ein "Gestatten Schmidt, Vertriebsleiter Comware & Personal Flat-Design von 'What-U-Tel' Ost" an. "Danke" antwortete ich "Wir sind schon bei 'What-U-Tel' und sehr unzufrieden." "Unzufrieden" wiederholte Herr Schmidt und runzelte die Stirn. "Weshalb denn?" "Weil wir einen DSL 2000 Vertrag haben und höchsten DSL 900 erhalten." "Ah" sagte Herr Schmidt "Da wohnen sie wohl sehr weit von unserem Inline-Servce-Terminal weg." "Es geht" sprach ich "Es sind rund 250 Meter." "Na dann sind sie wahrscheinlich zu nah. Ich bin jetzt kein Techniker, aber da kann man etwas machen. Wie wäre es mit SDSL?" "Was ist SDSL?" "Symetric DSL. Das beschleunigt langsame Verbindungen auf bis zu DSL 16000." "Wenn es nicht mehr kostet, als unser bisheriger Anschluss ..." sprach ich. Da lachte Herr Schmidt.

"Also Herr Sauer. Das können sie sich doch wohl denken, wenn sie jetzt DSL 2000 haben und zukünftig 16000, dann kostet das schon mehr." "Ich habe aber derzeit kein 2000 sondern allenfalls 900." "Sind sie ganz sicher?" wollte Herr Schmidt wissen. "Meine Tochter betreibt ein Webradio und dort buffert es dauernd, weil ihr Kabel in unserer Straße nicht mehr schafft als DSL 900." "Sag ich doch" sagte Herr Schmidt. "Wenn ich ihnen hier einmal unser Produkt SDSL kurz vorstellen dürfte." "Nein!" sprach ich. "Wenn sie wirklich etwas für uns tun können, dann lassen sie die Straße aufbaggern und das Glasfaserkabel durch ein Kupferkabel ersetzen, damit wir endlich von 'What-U-Tel' das erhalten, für was wir schon die ganze Zeit bezahlen."

"Aber das Telefon geht doch, oder?" wollte Herr Schmidt wissen. "Hin und wieder" antwortete ich ihm. "Wenn es mal wieder ausfällt, so für ein oder zwei Stunden, dann rufen wir die Hotline in Berlin an und hören dann von einer virtuellen Dame kostenpflichtig, dass an dem Problem gearbeitet wird, obwohl ich das Problem noch gar nicht geschildert hatte." "Sagten sie 'Hotline'?" fragte Herr Schmidt und fügte ein "Ich sehe daran, dass sie kein Premium Geschäftskunde sind sondern nur Privatnutzer." "Und was heißt das?" "Das bedeutet, dass Premium Geschäftskunden direkt auf unserem Service-Telefon anrufen können und dann sofort ..." "Ich rede davon" unterbrach ich ihn "dass unser Telefon nicht geht und es deshalb egal ist, ob ich als Privatnutzer oder als Premiumkunde NICHT telefonieren kann, schon gar nicht bei einem Service-Telefon." "Und wie rufen sie dann überhaupt an?" "ÜBER MEIN HANDY ..." "Und, wenn ich einmal fragen darf, haben sie sich da schon einmal unseren Absolut-Live-Tarif für Handys angeschaut?" Bevor ich explodieren konnte kam der Radioleiter wieder zurück, in der HAnd den kopierten Vertrag, und schloß die Tür hinter sich.

Sehen sie, das sind die Vertretertypen, die ich nicht leiden kann.

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