Donnerstag, 2. Oktober 2008

Texte anlässlich meines bevorstehenden 50. Geburtstags (No. 2 von 7)

SÜSSSTOFF

"Das ist ja die Höhe. Sie sind wohl nicht ganz gesund!" - So etwas bekomme ich hin und wieder bei meinen Gastspielen zu hören und in der Tat: Ich bin wirklich nicht ganz gesund, bin seit fast zehn Jahren Diabetiker. Diabetiker zu sein heißt, dass sich viele Menschen in meinem Umfeld Sorgen machen über meine gesunde Ernährung. Allesamt sind das Menschen, denen es in diesem Gesundheitssegment besser geht als mir selbst, die zehntausend Kalorien am Tag zu sich nehmen können, ohne, dass deren Bauchspeicheldrüse auch nur eine Überstunde machen muss. Kurzum: Es sind Menschen, die mir Eis schleckend, Schnaps trinkend oder Bratwurst essend klarmachen, dass für mich diese Vergnügungen leider tabu sind. Vielen Dank, kann ich da nur sagen.

Noch etwas stört mich an meinem Leiden: Man kann stundenlang durch die Lebensmittelabteilungen von Einkaufszentren gehen, ohne auch nur die Spur von zuckerfreien Lebensmitteln zu finden. Das ist zwar heutzutage auch für gesunde Menschen so, dass diese, oft tagelang, durch endlose Regalreihen irren, ohne das gesuchte Produkt zu finden, nur weil der Laden gerade wieder einmal komplett umgeräumt wurde, die Nudeln jetzt nicht mehr links vom Eingang im Parterre sondern seit neuestem mittig in zweiten Stock zu finden sind, direkt neben den Windeln, die zuvor noch im ersten Stock rechts hinter den Kühltheken standen, die wiederum nun im Erdgeschoss stehen, dort wo früher das Katzenfutter war - egal. Jedenfalls haben es Kranke aller Art, also auch Laktoseunverträgliche und Neurodermiten, in solchen Einkaufstempeln schwer, etwas zu finden, was ihrer Gesundheit zuträglich ist.

Hat man dann aber als Diabetiker etwa den Süßstoff gefunden, dann staunt man über die Mange dessen, was man kaufen soll. Ich trinke z. B. zwei mal am Tag eine Tasse Kaffee und verwende hierfür zwei Stücke Süßstoff. In dem Kunststoffbehälter, den ich gefunden habe, befinden sich aber nicht etwa 730 Stücke Süßstoff für ein Jahr Kaffeegenuß, sondern etwa 14 Millionen Stück, die für die nächsten 19.178 Jahre ausreichen (bzw. 19.171, falls ich alle 200 Jahre mal ein Stück Süßstoff mehr nehme). Warum verkauft man Diabetikern so viel Süßstoff auf ein Mal? Will man uns in den Frühtod treiben? "Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ich nehme jetzt allen Süßstoff, den ich habe, auf einmal." Wo ist da die Packungsbeilage oder was sagt mein Arzt oder Apotheker dazu?

Mein Hausarzt jedenfalls hat zu mir gesagt: "Also Herr Sauer. An ihrer Stelle würde ich gar keinen Süßstoff nehmen. Ist doch alles Chemie.
Treiben Sie statt dessen viel Sport, laufen, walken, wandern sie und ab und zu essen Sie mal gedünsteten Fisch mit Fenchel. Sie werden sehen, da brauchen Sie gar keinen Süßstoff mehr." - Recht hat der Mann. Außerdem kann ich beruhigt Fischfilets einkaufen, ohne das ich mir damit etwas antuen kann. Da führt das Verzehren der maximalen Packungsgröße maximal zu einem verdorbenem Magen.

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