Freitag, 17. Oktober 2008

Die wahren Helden

Die wahren Helden sind doch wir, die Kleinsparer. Wir haben doch die Welt gerettet, als sie aus den Fugen geriet, damals 2008, als Angela Merkel und Peer Steinbrück den halbtoten Autofahrer aus seinem Wrack gezogen haben mit ihrem 500 Milliarden Rettungsprogramm. Diesen arroganten Wichtigtuer, der mit Hundertachtzig im geliehenen Porsche gegen den Betonpfeiler gerast war, sich viermal überschlagen hatte und schon fast über dem Jordan war. Aber die Kanzlerin sagte uns "Wir müssen alle mithelfen, damit er durchkommt. Seine Gattin ist nämlich die Weltwirtschaft und die sitzt bang zuhause und wartet, ob er wieder wird oder ob Schäden zurückbleiben. Der Porsche gehört freilich den Kleinsparern, oder was von ihm übrig geblieben ist. Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Jetzt geht es darum, den Mann durchzubringen", sagte die Kanzlerin damals und Onkel Peer nickte stumm.

Angefangen hatte alles damit, dass der Porschefahrer, also der im geliehenen Porsche, uns Jahre zuvor weismachen wollte,
dass eine Internetfirma, die im Welt-Weit-Netz online Dienstleistungen verkauft, quasi über Nacht ein paar Millonen DM wert ist. War sie natürlich nicht, denn wie bei dem Prinzip 'Nimmst du mein Tier nehm ich dein Tier', dem Maria sich damals intensiv gewidmet hatte - teilweise war unser Haus gleichzeitig Herberge für einen Pinscher, einen Dalmatiner und einen Königspudel mit Mundgeruch -, geht anfangs alles gut, d.h. Maria nahm die Gasthunde in der Urlaubszeit bei uns auf. Nur als wir in Urlaub wollten, war niemand in der Lage, unseren Hund zu beherbergen, keine von den drei Familien. Bei den einen hatte es einen Wasserrohrbuch gegeben, bei der zweiten Familie war gerade jemand gestorben und die Ditten meldeten sich gar nicht mehr ... wie gesagt: wie bei diesem Prinzip, ging bei der Internet-Blase zuerst alles gut, aber am Ende platzte der Ballon und es kam der große Knall, die Firmen waren plötzlich gar nichts mehr wert. Wer damals gierig Aktien erworben hatte, dem ging es nachher schlecht, uns Kleinanlegern, die sich aus Allem heraus gehalten hatten, dagegen nicht.

Dann kam aber alles anders, war einem irgendwie näher. Nachts wachte man auf und hörte ein leises Kratzen an der Scheibe, so eines, bei dem man wirklich nicht nachschauen will, wo es her kommt. Aber an Sich-Umdrehen und Weiterschlafen war auch nicht zu denken. Morgens in der Straßenbahn hörte man plötzlich Leute hinter einem reden, über die Geldeinlage bei der isländischen Bank oder die amerikanische Immobilie, an der man sich beteiligt hatte. Zwar war es nicht die eigene Geldeinlage oder Immobilienbeteiligung sondern nur die eines Bekannten des Schwagers oder Arbeitskollegen und niemand in der Straßenbahn besaß Lehman-Anteile; die Stimmung war trotzdem fast panisch. "Und was ist, wenn alles zusammenbricht?" fragte eine ältere Frau besorgt, während die Straßenbahn in eine Kurve fuhr. Schweigen. Dann hörte man einen Herrn fragen, was nun eigentlich aus Amerika werde. Tja, arme USA! Vielleicht gibt es das ganze Land oder einzelne Bundesstaaten bald bei eBay zu kaufen - was solls -, aber was war in Deutschkland los? War das Ende der Gemütlichkeit bereits gekommen? Und als im Zeitungsladen die Bedienung sagte: "10 Euro? Haben Sie's nicht kleiner?", schrecken hinter einem die Menschen in der Schlange auf: "Was ... gibt's kein Kleingeld mehr?"

Es herrschte latente Panik im Land. Manchmal schreckte man aus einem Tagtraum hoch, nur weil einem der Gedanke gekommen war, irgendjemand geht in irgendeine Bankfiliale und sagt dort zum Spaß den Satz: "Ich will mein Geld ... sofort!" und alle anderen machen es ihm wie die Lemminge nach und das Chaos ist da. Stattdessen sollten ausgerechnet wir, die Kleinsparer, jetzt jenes Vertrauen zeigen, dass Kanzlerin und Finanzminister nicht mehr hatten, als sie panisch 500 Milliarden zu einem Rettungspaket zusammenschnürten, durch die politischen Gremien peitschten und das Paket dann verabschiedeten, vielleicht auf nimmer wiedersehen. Nicht ihr Geld wohlgemerkt, wäre dann verschwunden, Unser Geld, unsere Steuern, unsere Pro-Kopf-Neuverschuldung von 6.000,-- Euro.

Wir Kleinsparer sollten also dabei zusehen, wie dieser
arrogante Wichtigtuer, der mit Hundertachtzig im geliehenen Porsche, unserem Porsche, gegen den Betonpfeiler gerast war, sich viermal überschlagen hatte, schon fast über dem Jordan war, re-animiert wird. Wir sollten nichts weiter tun, als zuzusehen - vor allem aber kein Geld abheben - und damit die Welt retten. Einzig Friedrich Merz wagte es indiesen schweren Tagen, die richtigen Worte an uns zu richten, als er sein Buch 'Mehr Kapitalismus wagen' vorstellte. Vielleicht hatte er aber auch nur den richtigen Zeitpunkt zur Buchveröffentlichung verpasst, in diesem dramatischen Herbst 2008.

In der ersten Oktoberwoche 2008 stellten so ziemlich alle Finanzexperten den Kapitalismus grundsätzlich in Frage. Eine Woche später war er als Wirtschaftsmodell beerdigt. Zu Beginn von Woche drei wollte Bundespräsidentschaftskandidat und Sodann den Chef der Deutschen Bank verhaften lassen, wie er der 'Sächsischen Zeitung' versprach. Zur Wochemitte hatten sich dann aber, überraschend für die Regierung in Berlin, genügend Banken gefunden, die
Kanzlerin und Finanzminister die 500 Milliarden Euro zur Verfügung stellten, die beide dringend brauchten, um sie ... genau ... den Banken wieder zurückgeben zu können. Das war realsatirische Wochenend-Politik mit der Auswirkung, dass montags mit dem Wiederaufbau der Bankenwelt begonnen werden konnte.

Fazit: Geld regiert doch die Welt, selbst wenn es nicht mehr da ist. Es war ja im Grunde nir wirklich das Geld der Bankene. Denn es war ja unser, also der Kleinsparer, Geld, dass wir, abgespeist mit 3 bis 4 % Zinsen, brav zu den Banken gebracht hatten. Und schon, als wir noch auf dem Weg nach draußen waren, hatte man es für 10 bis 15 % weiterverliehen. Jetzt, wo sie es, also unser Geld, nicht wieder zurückbekamen, dann sollten wir, die Kleinsparer Ruhe bewahren und nichts unternehmen. Sagten jedenfalls Kanzlerin und Finanzminister.

Aber ich sage: Wir sind die wahren Helden der Krise.
Denn mit der Bürde ihrer eigentlichen Opfer, mit zusätzlichen 6.000 Euro Schulden pro Kopf, haben wir gleichsam die Würde der Unschuld. Bleibt zu hoffen, dass man die uns nicht auch noch nimmt, dass nicht diejenigen, die früher von Gier befeuert wurden und die jetzt die nackte Angst antreibt (auch im Wort 'Regierung' steckt das Wörtchen 'Gier') oder diejenigen, die wir gewählt haben, uns am Ende sagen, WIR wären schuld.

"Warum habt ihr die da oben nur gewählt?" - diesen Satz will ich nicht hören. Nicht weil wir am Ende natürlich
die Suppe mit höheren Steuern auslöffeln werden. Auch nicht, weil Politiker das Stillhalten von uns verlangt hatten. Sondern weil wir Kleinsparer schon immer wahre Größe zeigten. Egal wie schlimm die Krise weltweit auch war.

(aus: "Was hinter einen vorgeht - Ein neues Programm -"/2008)

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