Sonntag, 12. Oktober 2008

Texte anlässlich meines bevorstehenden 50. Geburtstags (No. 3 von 7)

DOPPELPACK

Ich bin ja nicht nur von meinem Sternbild 'Schütze' her ein Jäger, sondern mütterlicherseits hat sich bei mir auch der Sammlertrieb durchgesetzt. Außerdem muss ich als Kind nicht nur in verschiedenste Fettnäpfe getreten sein - nein: das müssen Fässer gewesen sein, gefüllt u.a. mit Maggi-Würze und Nimm2-Bonbons. Genaueres weiß ich nicht, denn als ichgeboren wurde, war ich zugegebener Maßen noch sehr jung. Aber die Auswirkungen zeigen sich bei mir bis heute. Nehmen wir beispielsweise einmal die Nimm2-Bonbons.

Wenn ich schon sammle, dann versuche ich Dinge, mit denen es mir ernst ist, am liebsten gleich zwei Mal zu bekommen. Unter anderem trifft das zu auf Schuhe, Orgeln, Jeans-Hosen, Pocket-Computer, bedruckte T-Shirts, Internetadressen oder Lautsprecherboxen. Lautsprecherboxen habe sammle ich dann folgerichtig gleich im Vierer-Pack; bei Quadroanlagen müssen es ... richtig ... gleich acht Stück sein.

Warum das so ist, konnte mir auch Dr. Gabelsberger, mein Privat-Psychologe, nicht genau erklären. Er fragte mich nur einmal, bevor er den Umfang unserer Therapie festlegte, ob ich nur einen Job hätte oder vielleicht zwei. Möglicherweise sind es ja, so die von Gabelsberger bevorzugte Deutung, Verlustängste, gegen die ich mich absichern möchte. Oder ich bin eben ein Feingeist, ein Ästhet, ein Symmetrist, der ein ausgeglichenes Leben führen muss, sonst ist er unruhig, so Gabelsbergers andere Interpretation, die er dadurch unterstützte, dass er mir gleich zwei Rechnungen schreib.

Wenn Letzteres zutrifft, dann hat er auch recht mit meiner Frau, die mich gelegentlich an den Rande des Wahnsinnns bringt, aber dafür wahrscheinlich gar nichts kann, wurde sie doch als Einzelkind geboren. Andererseits beunruhigt mich die Ansicht meines Psychologen, dass ich möglicherweise wesentlich glücklicher wäre, wenn es meine Frau zwei mal gäbe und ich mit ihr und mit ihrer Zwillingsschwester verheiratet wäre.

Sei es, wie es will. Ich bin Jäger und Sammler und, nach der chinesischen Kunst des Sternwahrsagens, ein im Jahreszeichen des treuen Hundes als Ying und dem Element Erde als Yang geborener Mensch. Das sagen jedenfalls Lehren der alten Chinesen und die müssen es ja schließlich wissen, weil ich weiß es nicht. Ich bin dafür ein Indivi-Dualist, was bedeutet, dass in mir zwei Menschen leben.

Bleibt mir nur noch eine Sache aufzuklären: Von Maggi-Würze kann ich gar nicht genug bekommen. Bratkartoffeln, Reis oder Nudeln würze ich mit der Maggi-Flasche nach, Suppen verfeinere ich mit ihr und a
n Ostern pelle ich Ostereier, beiße ihnen den Kopf ab und träufle dann Maggi auf den Dotter. Im Sommer 1967 wurde die Sache legendär, als durch die Bayerischen Berge mein enthusiastischer Ruf hallte "Die Maggi-Weiber kommen!", der nach neuesten, noch geheimen, Erkenntnissen der Wissenschaftssendung GALLILEO mit dazu führte, dass in Newark bei New York Rassenunruhen ausbreiteten, in deren Folge Martin Luther King seine erste öffentliche Rede gegen den Vietnamkrieg hielt, nach der Cassis Clay den Kriegsdienst verweigerte, die Hippie-Bewegung sich um die ganze Welt verbreitete, was zum Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschecheslowarkei und damit zur 68er-Studentenbewegung in Deutschland führte.

Dabei habe ich das doch gar nicht gewollt. Ich wollte, nachdem ich eine Woche zuvor auf einem Campingplatz am Chiemsee einen Verköstigungswagen der Brühwürfelfirme Maggi, die damals künstliches Kartoffelpüree, Instantsuppen und Fertigsaucen auf dem Markt einführte, entdeckt hatte, an dem sich eine lange Schlange von Vorkostern gebildet hatte, an die ich mich immer wieder neu anstellte um einen rot-gelben Wasserball zu gewinnen, in Berchtesgaden nur der ganzen Welt kund tun, dass die netten Damen mit ihrem Verköstigungswagen nun auch auf dem Campingplatz am Fuße des Watzmanns angekommen waren und tat dies mit den Worten "Die Maggi-Weiber kommen!", wobei bis zum Schluss zwischen meinem Vater und mir ungeklärt blieb, wer den Maggi-Damen zuerst das Nomen 'Weib' gegeben hatte. Sollte ich es gewesen sein, dann sei es drum, denn Kindermund tut bekanntlich Wahrheit kund.

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