Montag, 13. Oktober 2008

konflikttraining.org (Aspekt Nr. 1)

Ob Wissenschaftler im Da-Vinci-Kot rumschnüffeln, Frauen sich liebend gerne Nervengift ins Gesicht spritzen lassen, Marcel Reich-Ranicki die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises an ihn ablehnt oder Menschen sich scheiden lassen um kurz danach wieder zu heiraten, immer muss man, um das zu verstehen, von groben Missverständnissen ausgehen. Missverständnisse begleiten schattengleich unser Leben, das wissen wir nicht zuletzt seit dem Untergang der unsinkbaren 'Titanic' und Rom wurde ja bekanntlich auch nicht an einem Tag abgebrannt. Kennzeichnend für Missverständnisse ist ja, dass sie erst dann bemerkt werden, wenn es schon zu spät ist. Dennoch sind wir Menschen immerfort darauf angewiesen, auf unser Verstehen von Intentionen zu vertrauen und sind damit Missverständnis nahezu schutzlos ausgeliefert. Wir nehmen etwas als gesichertes Wissen an, obwohl es nicht bestätigt ist, oder gehen mit einer Sache unter falschen Vorausetzungen um.

Um bei den vier Beispielen Da Vinci, Reich-Ranicki, Nervengift und dem HSH*-Prinzip zu bleiben:

1.) Leonardo war ein Ketzer, das steht außer Frage. Um sein Leben, in einer von der absoluten Macht der Kirche geprägten Zeit, zu schützen und seine selbst erarbeiteten Erkenntnisse nicht zu gefährden, benutzte Da Vinci Spiegel- und Geheimschriften. Möglicherweise hat er der Kirche auch so manchen Streich gespielt (Turiner Leichentuch? - 'Abendmahl'-Fresco), aufgrund schlechter oder ausbleibener Bezahlung für seine Werke oder einfach nur, weil er es dank seiner Intelligenz konnte und die Kirche es nicht bemerkte. Aber dass er ein Tempelritter gewesen sein soll, mit dem Wissen um die Tatsache, das Jesus verheiratet gewesen sei und Nachkommen gezeugt habe, so wie es Schrifsteller Dan Brown erfand, das scheint in der Tat ein Missverständnis zu sein.

2.) Um bei den Themen Jesus und Literatur zu bleiben: In Ermangelung eines telegenen Messias aus Nazareth, dem man für sein Lebenswerk ein 'Bambi' hätte überreichen können, kam man innerhalb der Jury der Deutschen Fernsehpreises 2008 auf die Idee, Marcel Reich-Ranicki mit einem Fernsehpreis (!) für dessen Lebenswerk als Literaturpapst zu ehren. Kein Redakteur hatte irgendwelche Bedenken, keiner in der Kulturredaktion des ZDF stellte dies in Frage, kein Intendant schritt ein. Stundenlang lies man diesen großen alten Mann leiden, eingepfercht in einer seelenlosen Halle in Köln-Ossendorf zwischen dem Fernsehpreis für die beste Comedysendung ('Switch/reloaded') und dem für die beste Unterhaltungssendung ('Deutschland sucht den Superstar'), zwischen den tele-promt-spontanen Sprüchen des Hauptmoderators Thomas Gottschalk und seinen vielen Helfern namens Atze Schröder und so weiter. Und als er mit fortschreitender Zeit erkennbar unruhiger wurde, ob der Situation, in die er sich durch seine Teilnahme an der Veranstaltung selbst gebracht hatte, da erklärte der Moderator dem Publikum, man zöge den letzten Programmpunkt, die Ehrung Reich-Ranickis, jetzt einfach schon mal vor, weil Reich-Ranicki ja nicht mehr der jüngste sei. Das lies dieser Mann sich nicht bieten.

"Heute bin ich in einer ganz schlimmen Situation. Ich möchte niemanden kränken, beleidigen oder verletzen. Aber ich möchte auch ganz offen sagen: Ich nehme diesen Preis nicht an", erklärte der beinahe 90-Jährige und fügte hinzu, er fände es besonders schrecklich, all dies miterleben zu müssen, bevor er dies sagen konnte. Entsetzen bei den Verantwortlichen. Er habe hin und wieder bei 'Arte' schöne Fernsehabende verbracht, aber noch niemals einen Abend mit solch einem Blödsinn. - Der ZDF-Intendant nannte den Auftritt Reich-Ranickis anschließend als eine (Zitat) "Sternstunde" des Fernsehens, worauf Elke Heidenreich in der FAZ resignierend schrieb: "Man schämt sich, in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten." - Vielleicht fragt sich mancher TV-Produzent noch heute, warum man nicht doch Jesus genommen hatte, und, falls der verhindert gewesen wäre, ersatzweise den Papst.

3.) Dass einige Frauen für das Erreichen oder die Erhaltung von Schönheit wirklich Alles tun würden, bis hin zu Mord, soll nicht weiter beunruhigen, denn das ist die Ausnahme. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass nicht nur einige sondern sehr viele Frauen bereit sind so einiges für das Schön-Sein an sich in Kauf zu nehmen. Minderjährige Mädchen wollen ihre Brüste vergrößern lassen, weil sie das natürliche Wachstum nicht abwarten können, volljährige lassen sich Kinn, Wangen und Nase abschleifen und 'richten', lassen sich Silikon vor die 'Hüttn' operieren und mit Collagen die Lippen auffüllen. Und immer mehr Frauen vertrauen auf das Nervengift Botox, das entwickelt wurde um Bewegungsstörungen, Schielen und herabhängende Augenlider zu behandeln. In die Stirnmuskeln des Gesichts injiziert, lähmt es diese und die zuvor faltige Haut wird glatt. Bei Botox (eigentlich: Botulinumtoxin) ist der Name Programm: es ist giftig. Nur die Dosierung bewahrt die Patientinnen vor einer Lungenlähmung mit obligatorischer künstlicher Beatmung über längere Zeit und dem darauf möglicherweise folgenden Tod. Wird bei der Behandlung mit Botox ein Muskel falsch getroffen, so kann dies zu einer dauerhafte n Gesichtslähmung führen, was nicht schön ist und damit erklärt sich hier bereits das Missverständnis an sich.

4.) Wenn man heiratet, geht man den Bund fürs Leben ein, eine Ehe auf Zeit gibt es nicht, auch wenn Ex-CSU Mitglied Gabriele Pauli, seinerzeit im bayerischen Wahlkampf auf Stimmenfang, eine Ehe auf Zeit, befristet auf sieben Jahre (wenn nicht einen Monat vor Ablauf der Verheiratungsfrist gekündigt wird, verlängert sich die Ehe automatisch um ein Jahr) gefordert hatte. Nachdem Frau Pauli für die Freien Wählen in den Landtag eingezogen war, ist diese Forderung llerdings verschallt. Also noch einmal: Wenn man heiratet, geht man den Bund fürs Leben ein. Sollte es in der Ehe unlösbare Differenzen** geben, dann kann man sich hernach auch scheiden lassen. Missverständlich wird das Ganze jedoch bei Menschen, die eine erste Ehe eingehen, sich scheiden lassen, zum zweiten Mal heiraten, sich zum zweiten Mal scheiden lassen, dann erklären, für sie käme eine weitere Heirat niemals mehr in Frage, dann zum dritten Mal heiraten, und so weiter und so weiter. Die müssen noch nicht einmal Schröder und Fischer heißen und Kanzler und Vizekanzler sein, obwohl es die beiden bis auf weiteres zusammen auf rekordverdächtige 9 (!) Ehen brachten; derzeit steht es 5:4 für Fischer. - Warum heiratet man überhaupt, wenn man denn keinen Bund fürs Leben schließen will? ... Richtig: Aufgrund von Missverständnissen.


Deshalb an alle Forscher, TV-Schaffenden, Schönheitswahnsinnigen und an die heiratswilligen Mehrfachtäter: Wenn Konflikte das Salz des Erfolgs sind, dann sind Missverständnisse das Salz des Lebens. Das sollte man wissen, um aus Missverständnissen, wenigstens ab und zu einmal, Verständnisse zu generieren.


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* =
Heiraten/Scheidung/Heiraten; dies hat nichts mit dem HTH-Prinzip, dem Hilfreichen Tritt in den Hintern, zu tun
**= nach dem lat. Begriff "differo" = auseinander bringen

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