Dienstag, 29. April 2008

Klappe halten

Ich sah eine junge Dame auf einem gelben Fahrrad auf das Nachbarhaus zufahren. Dort angekommen stieg sie ab, hielt das Rad mit der linken Hand, und kramte mit der rechten nach dem Hausschlüssel. Dabei begann das Rad sich zu bewegen, neigte sich leicht auf die Seite. Die junge Dame lies den Schlüssel fallen und fing das Rad auf, konnte sich aber, weil sie das Rad hielt, nicht zum Boden hinunter beugen, um den Schlüssel aufzuheben. Also hielt sie das Fahrrad wieder mit ihrer linken Hand, fasste dann mit der rechten nach unten um den Schlüssel aufzuheben und das Rad neigte sich wieder leicht auf die Seite, die Dame lies den Schlüssel erneut fallen und so weiter und so weiter.

In solchen Momenten fragt man sich, warum es Männern in Not nicht erlaubt ist, Frauenklappen zu benutzen, nicht um diese Frauen anonym zur Adoption freizugeben, sondern damit sie in sozialen Einrichtungen einige wesentliche Dinge über das Leben beigebracht bekommen. Zu Beispiel, wie man Fahrräder abstellt um Schlüsselaufzuheben. Oder wie man Männer dazu bringt, nicht immer wichtige Daten wie Kennenlern-Termine, den Monatsregel-Zyklus oder den Abgabetermin für den Lohnsteuerjahresausgleich zu vergessen. Wegen unklarer Rechtslage ist das ja mit den Frauenklappen bislang umstritten. In einem Referentenentwurf ("Die Refe-Renten sind sicher!") soll Berlin jetzt aber so etwas geplant haben. Das kommt also nicht von mir ... sage ich jetzt einfach mal so - es muss ja nicht stimmen.

Was könnte man Frauen noch über das Leben beibrigen? Dass Mann und Frau irgendwie an bestimmten Stellen zusammen passen - klar, wie sonst gäbe es Milliarden von Menschen auf der Welt. Auf geistiger Ebene liegen aber Welten zwischen Mann und Frau, wobei es unerheblich ist, wer oben mehr hat. Auf die Größe kommtes dabei sowieso nicht an, sondern auf den richtigen Umgang damit ... auch wenn das Gehirn des Mannes durchschnittlich 130 Gramm schwerer ist als das der Frau, was diese gelegentlich durch Schminke und Lippenstift kompensiert.

Hinsichtlich der grundsätzlichen Intelligenz sind zwischen Mann und Frau keine signifikanten Unterschiede festzustellen. Die kleinen grauen Zellen sind jedenfalls ähnlich strukturiert, wenngleich vor Kurzem festgestellt wurde, dass beim räumlichem Vorstellen bei Männern eine einzige Gehirnregion erhöhte Aktivität zeigt, bei Frauen zwei, was meiner bescheidenen Meinung nach darauf hin deutet, dass Frauen mehr und intensiver nachdenken, was sich auch im täglichen Leben zeigt, etwa beim Camouflagieren von Seitensprüngen.

Das mit der Frauenklappe ist mir aber trotzdem ernst. Diese Einrichtung sollte aus einem Wärmebett bestehen, in das die Frau von außen gelegt werden kann. Mit einer Zeitverzögerung, die dem Mann die Möglichkeit gibt, sich unentdeckt zu entfernen und so seine Anonymität zu wahren, wird ein stummer Alarm ausgelöst. Der ruft Fachpersonal herbei, das sich um die Frau kümmert. Halten sie mich bitte nicht für abartig oder absurd oder beides, weil ich so etwas einmal ausspreche. Ich garantiere Ihnen: sollte das Fachpersonal aus Menschen wie Brad Pitt, Johnny Depp oder George Clooney bestehen, würden mehr als 50 % der Frauen, die in Frage kämen, sofort fragen, wo die nächste Frauenklappe zu finden ist.

Übrigens plädiere ich auch für Männerklappen mit Fachpersonal wie Angelina Jolie, Michaela Schaffrath oder Pamela Anderson. Aber zuvor habe ich noch etwas zu erledigen. Heute morgen, und deshalb kam ich drauf, sagte meine Frau zu mir, ob ich auch nicht einmal einfach die Klappe halten kann?

Was soll ich Ihnen sagen: Ich kann!

Freitag, 18. April 2008

Strandgut

Am roten Meer herrscht Fleischterror. Ohne Rücksicht auf Verluste kämpfen russische Brigaden darum, ihre Körper Sonnengott Re opfern zu dürfen. Die blaue Lagune wird zum Strand der Brüste, deren Betrachtung man sich nicht entziehen kann.

Wenn das die Strafe für den verlorenen zweiten Weltkrieg ist, dann habe ich sie als Deutscher verdient. Es ist eine Strafe, denn der Anblick weckt bei mir anstelle von Lustgefühlen eine kritische Hinterfragung der EU-Erweiterung unter Einbeziehung der 3. Brüsseler Verordnung über die Reduzierung von Fleischbergen. Was auch durchaus einen Sinn macht, denn links blickt man auf die Hohe Tatra, rechts auf Kamtschatka und genau dazwischen haben sich die hängenden Gärten der Semiramis niedergelassen.

Inzwischen ist mir auch klar, warum der ägyptische Volleyball-Animateur die ganze Zeit in seinem gebrochenen Englisch zwischen den Matroschkas herumbaggert. Vor allem, warum er sagt “Bitch Volleyball Ladies. Kamme to me to pleehi Bitch Volleyball.” - Das lassen sich die Damen natürlich nicht entgehen.

(aus: "Hoffnungslos Hoffnungsvoll"/2004)

Donnerstag, 17. April 2008

Die frühen Leiden des jungen V.

Vorwort: Alltag ist jeden Tag und zu jeder Zeit. Aber wenn man in der Zeit zurück blickt, kan der Alltag anders sein als derzeit. Es folgt eines meiner frühesten Wort zum Alltag.

[“Studiert die Werke des Vorsitzenden Mao Tse-tung, hört auf seine Worte und handelt nach seinen Weisungen!” - Aufruf des Genossen Lin Biao]

Volker hört die Signale, allein der Glaube fehlt ihm noch.
Die Internationale? Er kämpft mit einem Buch.
Geschrieben hat es Mao,
Chinas mächtigster Export.

Volker liest die Mao-Bibel und ergründet ihren Sinn
allein schon die einzelnen Kapitel sind ein einziger Gewinn.

Die Kommunistische Partei
Klassen und Klassenkampf
Sozialismus und Kommunismus
Die richtige Behandlung der Widersprüche im Volke
Krieg und Frieden

Der Imperialismus und alle Reaktionäre sind Papiertiger
Hab Mut zu kämpfen, hab Mut zu siegen
Der Volkskrieg
Die Armee des Volkes
Die Führung durch die Parteikomitees

Volker hört die Signale, allein der Glaube fehlt ihm noch.
Die Internationale? Er kämpft mit einem Buch.
Gedruckt wird es in Peking,
Chinas mächtigster Stadt.

Volker liest die Mao-Bibel und ist weiter sehr gespannt
auch die weiteren Kapitel sind äußerst interessant.

Die Massenlinie
Die politische Arbeit
Die Kommunisten
Die Kader

Die Jugend
Die Frauen
Kultur und Kunst
Das Studium

Volker hört die Signale, allein der Glaube fehlt ihm noch.
Die Internationale? Er kämpft mit einem Buch.
Volker liest die Mao-Bibel, ein Hindernis gibt’s nur:
Er kann sie nicht studieren, denn Volker hat kein Abitur.

(aus: "Führer-Los"/1978)

Ich bin ja Halter eines Müllwagens

(HINWEIS: Dieser Eintrag ist noch in Bearbeitung des Künstlers und wurde noch daher noch nicht freigeschaltet!)

Mittwoch, 16. April 2008

Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer

»(...) Wir nähern uns jetzt einem meiner Lieblingsthemen und zwar der fabelhaften Welt der Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer. Wie ich festgestellt habe, und sie höchstwahrscheinlich auch, gibt es mehrere Aggregatzustände eines Teilnehmers am Straßenverkehr. Aggregatzustände, so lehrt uns die Wissenschaft, sind die verscheidenen physikalischen Zustände ein und des selben Stoffes, im vorliegenden Fall der Menschen und da der Mensch ja bekanntlich nicht vom Brot allein lebt habe ich die psychischen Zustände gleich mit einbezogen.

Im Straßenverkehr mutiert der durchschnittliche Mitteleurogermane, je nach Betätigkeitsfeld, wie ein Wechselbalg in verschiedenste Straßenwesen, wofür es verschiedenste Beispiele gibt. Wenn ich zum Beispiel als Fußgänger unterwegs bin, dann regen mich in aller erster Linie die auf meinem Gehweg sich munter fortbewegenden Radfahrer auf. Getreu der einst von Walter Ulbricht ausgegebenen Losung "Niemand hat die Absicht einen Radweg zu benutzen." mähen sie mich beinahe regelmäßig bei Verlassen des Hauseingangs um, der direkt an einen Gehweg angrenzt. Wie gesagt beinahe, und zwar in einem Affenzahn drei bis zehn Zentimeter an mir vorbei radelnd, wobei sich einige noch fassungslos umdrehen und mir ein wohlmeindendes "Idiot" mit auf den Weg geben. Nur zur Erinnerung: ich hatte es zuvor lediglich gewagt, mein Haus zu verlassen und den Gehweg zu betreten. Was wäre gewesen, wenn ich mit einem Brtett oder einer Latte aus dem Hausgekomen wäre. Jeder Fußgänger hätte das gesehen und wäre stehen geblieben. Den Radfahrer aber hätte es garantiert aus den Latschen gehauen. Ich denke, dass ich das demnächst einmal ausprobieren sollte. Schließlich ist ein Gehweg immer noch ein Gehweg.

Ebenso schön finde ich, wenn sich mir von hinten
ein Fahrradfaher nähert, um dann mit einem entrüsteten "Hey, was soll denn das?" haarscharf und kopfschütelnd an mir vorbeizuradeln, teif getroffen, weil ich keinen Platz gemacht hatte. Also für mich führen Radfahrer Waffen auf zwei Rädern mit sich. Da sollte in der Zukunft in Berlin mal über Konsequenzen nachgedacht werden. Mindestens über einen psychologischen Eignungstest für Pedalritter. Denn natürlich wissen alle, dass Kinder bis zum Alter von 8 Jahren Gehwege benutzen müssen, ältere Kinder bis 10 Jahre dürfen Gehwege mit Fahrrädern befahren, was darüber hinaus für alle anderen Menschen tabu ist. Aber das scheint kaum einen Radfahrer zu kümmern.

Mich übrigens auch nicht, wenn ich mit dem Fahrrad fahre. Dann möchte ich nämlich möglichst geschützt fahren und nicht von verantwortungslosen Autofahrern umgemäht werden. Radwege gibt es sowieso zu wenige, so dass man ständig auf Gehbahnen ausweichen muss. Lästig sind dabei nur die Fußgänger, die einem aus reiner Absicht den Weg blockieren oder unvermittelt aus Hauseingängen springen und uns Radfahrer zu Tode erschrecken. Mit ein wenig Feingefühl würde das alles viel besser klappen: Erst einmal um die Ecke schauen, Herr Nachbar, ob ein Radfahrer naht. Das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt, oder.

Mich nerven als Radfahrer aber auch diejenigen Autofahrer, die ihre Blechkarosse halb auf der Fahrbahn und halb auf dem Gehweg parken; unmöglich finde ich so was. Wozu gibt es denn Parkplätze? Und dann erst die Autofahrer, die einem die Vorfahrt nehmen. Wenn man da nicht aufpasst, wird man auf die Hörner oder die Haube genommen und findet sich nach dem Aufwachen auf der Intensivstation wieder. Diese verantwortungslosen Kerle haben dabei nur ein paar Kratzer im Lack, und ich dafür eine irreparabele Verletzung. Ich finde ja generell, dass aus Gründen der Chancengleichheit diese Waffen auf vier Rädern verboten werden sollten.
Aber das scheint kaum einen Autofahrer zu kömmern.

Mich übrigens auch nicht, wenn ich Auto fahre. Dann möchte ich nämlich möglichst schnell von A nach B kommen und könnte mich schwarz ärgen, wenn ich Radfahrer sehe, die bei Rot über die Ampel fahren und mir dabei die Vorfahrt nehmen. Einer hat mich schon mal erwischt. Als ich ausstieg um mir den Schaden an meinem Wagen anzuschauen, da stieg er schon wieder aufs Rad und haute ab durch de Mitte. Ja, wer denken die denn, dass sie sind? Für alle Verkehrsteilnehmer gelten die gleichen Regeln des Straßenverkehrs. Aber Radfahrer scheinen zu glauben, dass es für sie Extrawürste gibt. Schon machen Städte Parkplätze dicht und mit dem eingesparten Geld werden Fahrradwege gebaut. Kein Wunder, dass man in der Innenstadt kaum noch einen Parkplatz findet.

Vor einiger Zeit raste einer rechts an mir vorbei, ohne Rücksicht auf Verluste, und als ich abbiegen wollte, da brüllte er laut: "Dir Megaarschloch sollte man die Fresse polieren!" Ich fuhr ihm hinterher und als er nach fünfzig Metern begann, auf einem Gehweg weiterzufahren, da fuhr ich auf gleicher Höhe neben ihm her, die Beifahrerscheibe nach unten, und rief ihm zu: "Würden Sie mir bitte ihre Personalien geben, damit ich Sie anzeigen kann. Sie fahren nämlich auf einen Gehweg und das ist verboten." Der Radfahrer würdigte mich keines Blickes. Noch einmal bat ich ihn höflich um seinen Namen, während er fast eine ältere Dame auf dem Weg zur Bushaltestelle umfuhr. Keine Reaktion. Verbissen furhr er weiter bis zur Kreuzung. Dort hielt er kurz an, schaute sich um, fuhr dann bei Rot über den Fußgängerüberweg und weg war er.

Weil ich gerade die ältere Dame erwähnte. Das sind die schlimmsten. Mitte Siebzig, gerade den Ehemann einen Stock tiefer gelegt, aber noch fit wie ein ausgelatschter Turnschuh. Der Unruhestand treibt diese orthopädischen Wanderbaustellen zu immer neuen Höchstleistungen. Ein wartender Bus an der nächsten Haltetstelle animiert zum Beschleunigen; in zehn Minuten käme der nächste ... drauf geschissen, wer weiß, wie lange man noch zu leben hat. Der nächste Bus könnte ja der letzte sein. "O Gott o Gott! Mich trifft der Schlag!" - "Gut, dann bleibn's sitzn bis zum Nordfriedhof" - "Ein Wagen von der Linie 8, weiß-blau fährt ratternd durch die Stadt." So stürmen sie zum Bus, immer einen Oberschenkelhalsbruch einkalkulierend, verbunden mit einem längeren Krankenhausaufenthalt, danach ReHa, Altersheim, Lungenentzündung und dann 'Ruhe sanft'.

Manchmal denke ich, dass es die drei Aggregatzustände auch beim Menschenalter gibt. Mit demgleichen Hass und Prass auf die andersartigen. Jugend gegen Eltern und Großelteren - Menschen mittleren Alters gegen Kinder, Jugendliche und Rentner - Alte gegen die Arbeitenden und die Jungschen. So wären wir alle letztenendes das, was Herbert Grönemeyer einst schrieb: "Und der Mensch heißt Mensch, weil er vergißt, weil er verdrängt, weil er schwärmt und stählt, er wärmt, wenn er erzählt, und weil er lacht, weil er lebt." - Ich denke, so ist es. (...)
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(aus: 'Hoffnungslos Hoffnungsvoll'/2006)

Das Leben ist eine Wasserwaage

'Das Leben ist eine Wasserwaage', wage ich jetzt einmal zu behaupten. Warum? Ganz einfach: weil man es einerseits ausgeglichen zu gestalten sucht, weil es eben keine Pralinenschachtel oder ein Quiz ist und weil schon die alten Ägypter die Vorteile der Gradlinigkeit von Wasser nutzten, um ihre Pyramiden ordentlich zu bauen. Damit sind drei Grundvoraussetzungen für die Richtigkeit meiner Feststellung erfüllt: These, Beschreibung der Antithese und urzeitliche Belegbarkeit. Außerdem fördert das Wort 'Wasserwaage' als Teekesselchen die Sprach- und Denkkompetenz, weil Wasser durchaus auch mal gewogen wird.

Das Leben ist auch deshalb eine Wasserwaage, weil es im Sog guter Entwicklungen oft zu gegenteiligen Auswüchsen kommt, um sich danach immer wieder, mal in die eine Richtung, dann wieder in die andere, zu bewegen, bis am Ende alles ausgelichen ist. Wer dieses zyklisch-antizyklische Verhalten des Lebens akzeptiert, der erfährt Satori und die führt zu Langmut und Gelassenheit. (Wer jetzt einige Fachausdrücke nicht verstanden hat, der frage bitte seine früheren Lehrer oder jemanden aus der nächstgelegenen Bibliothek.)

Nehmen wir (wieder) einmal das Fernsehen zum Beispiel. Zu Zeiten, als das Fernsehcasting genannte Procedere urdeutsch noch ein 'Talentwettbewerb' war, war es amüsanter, teilweise aufregender Quotenknüller. Egal ob das Talent von Bill Ramsey oder Dieter Pröttel in einem Schuppen gesucht wurde oder Rudi Carrell in seiner Show unbekannten Sängern, mit dem eingeblendeten Untertitel "Live gesungen!", die Chance gab vor dem Publikum groß herauszukommen. Schnell gab es Nachahmer, darunter eine Mini-Playback-Show, eine Überraschungssendung im ZDF, aber auch Stefan Raab. Alle diese Trittbrettfahrer kopierten gnadenlos das erfolgreiche Format, angefangen von verwendeten Begriffen ("Eben noch in der Blumenhandlung … jetzt auf unserer Showbühne!“) und Titeln („Laß dich überraschen“) bis hin zu Showideen (aus „Rudigramm“ wurde das „Raabigramm“).

Der Weg ist eben das Ziel der Quoten fetter Beute. Die wird aber bei kopierten Ideen gelegentlich kleiner als gedacht, was daran liegt, dass nach der ersten Talkshow im Privatfernsehen dort ein Talkshow-Marathon ausbrach, bis der Zuschauen nicht mehr einschalten oder aushalten wollte und nach und nach fast alle gleichgeschalteten Shows ebenso gleich abgeschaltet wurden. Ähnlich war es mit den Gerichtsserien, wobei deren erste private gar keine war sondern der Maschendrahtzaum-Streit von Frau Schiedsmann Barbara Salesch geschlichtet wurden. Gleiches Schicksal wie Gerichts- und Talkshows wird man bei den geklonten Koch-, Auswanderungs- und Nachgeldspielratesendungen erwarten können, denn, ich wiederhole mich gerne: Das Leben ist eine Wasserwaage, von Gott erfunden, damit er nicht so viel Arbeit mit uns hat.

Da braucht es kreative Köpfe um im Sumpf der Plagiate dem Mangel an Ideen und Konzepten eigenes Profil zu geben. Stefan Raab etwa hat das bewiesen, singt keine Raabigramme mehr und lässt dafür heute Prominente im Wok eine Eisbahn hinuntergleiten, lässt sich für viel Geld spielend schlagen oder macht das eher ein tristes Dasein fristende Turmspringen TV-populär. Ein ganzer TV-Sender namens PRO 7 hat ihm inzwischen seine weitere Existenz zu verdanken. Nun hatte sein Freund, Schauspieler und Regisseur Michael Herbig, Spitzname
Bully, eine ebenso innovative Idee: Bully sucht starke Männer, genauer gesagt Wikinger. Was vordergründig wie eine weitere dröge Casting-Show ausschaut, stellt sich schnell aber als best unterhaltendes Talentsuchen heraus, nicht nur, weil den Gewinnern ein Traumeinstieg auf die große Leinwand geebnet wird, sondern weil auch die Verlierer sympatisch beim Publikum ankommen - ganz anders als als bei Modepüppchensuch- oder Miriah Carey-Nachahmer-Sendungen. Wer da stolpert oder nicht wirklich singen kann erntet Spott und Häme.

Das ist bei 'Bully sucht die starken Männer' anders. Hier sucht man
einen Snorre, der hässlich ist, einen Ulme, der schräg, einen Faxe, der fett oder einen Urobe, der alt sein muss. Bully macht damit Außenseitertum zum Erfolgskriterium und Vulgarität zum Akzeptanzmerkmal. Hieran kritisch zu meckern und zu mäkeln wäre genauso, als würde man sich beim Fußball darüber beklagen, dass der Ball rund ist. Und noch etwas hat Bully gemacht: Er sucht 'Starke Männer' und keine 'Wikinger' weil, und das ist nun leider das Mißverständniss und Drama für einen ganze Genaration von Schulkindern, das Ganze auf einer Zeichentrickserie basiert, die "Wickie" hieß (mit 'ck') und diese Generation heute noch das Wort 'Wikinger' mit 'ck' schreibt an statt nur mit 'k'. Die Figuren der Serie, die vor über 30 Jahren in japanischen Zeichenstuben für den deutschsprachigen Markt kreiert wurden, auf die Kinoleinwand zu bringen, ist Herbigs Ziel und dafür sucht er die entsprechenden Laien-Schauspieler.

Und so kommen Altrocker, Selbstdarsteller, Hänflinge und Fettwänste in seine Sendung und spielen der Jury ihren persönlichen Wikinger vor, als sei das ihr natürlicher Lebensraum. Viel braucht man dazu nicht zu können denn es geht ja nicht um Shakespeare oder Schiller sondern um eine Comicvorlage. Und auch, dass die Jury über die Aspiranten lacht ist nicht enttäuschend, sondern fast schon Garantie für das Erreichen der nächsten Runde. Dass Herr Herbig dadurch die Selektion vom Makel ihrer Hässlichkeit löst, sei nur am Rande bemerkt. Auch, dass
die Zuschauer dieses eine Mal nicht mit abstimmen dürfen ist positiv, denn man kennt das ja: Das Publikum liebt bei Talentshows nicht die wahren Talente sondern sein Herz schlägt bei der TV-Unterhaltung eher für die Absurdität. Aber auch das wäre letzten Endes in dieser Sendung nicht schlimm, denn Bully sucht nicht nur die starken Männer sondern auch die größten Kasper unter liefert damit derzeit das mit Abstand seriöseste Format.

Warum habe ich aber Anfangs nicht gesagt 'Das Fernsehen ist eine Wasserwaage'? - Weil das Leben eben mehr ist, als das, was im Fernsehen zu sehen ist. Wer das begreift, der hat verstanden.

Dienstag, 15. April 2008

Von Windows verweht

”Lieber Kabarettfreund...lieber Spaßmacher...lieber Herr Sauer! Mein Name ist Horst Tottermann (Freunde nennen mich ”Hottentotte”), ich bin Vorstandsmitglied des Jägerzuges 'Schwarz-Weiß-Rot e.V. von 1973' und dort zweiter stellvertretender Schriftführer. Da wir hier bei den Schützen auch immer eine Menge Spaß haben, bin ich sozusagen so etwas wie ein Experte für Spaß-Kultur... naja, zumindest für Spaß. Und da Sauer ja bekanntlich lustig macht sage ich: Toll, ihre Internetseite! Ich habe das alles gleich unserem ersten stellvertretenden Beisitzer des Vorstandes gezeigt und, was soll ich sagen: auch er fand sie schön. Also, nicht Sie, sondern Ihre Seite - kleiner Scherz.

Vielleicht haben Sie der Presse entnommen, dass wir bei einer Abrakabarett-Veranstaltung... Entschuldigung: ich meinte natürlich Abendkarabettverunstaltung...Entschuldigung: schon wieder verkehrt...also jedenfalls auf der Bielefelder Kirmes einen Ausfall verzeichnen mussten - da ist sozusagen aus demBierzelt jemand 'rausgeflogen', haha! Wegen ein paar historischer Ausrufe zu unserer verlängerten Deutschen Vergangenheit. Wir suchen daher für das kommende Jahr adäquet... aquätaten... also passenden Ersatz. Hätten Sie vielleicht Interesse? Eine Probevorstellung in unserem Vereinslokal 'Brauner Bär' wäre allerdings Pflicht; Bier und Würste mit Kraut sind dafür garantiert, wenn sie ihre (hoffentlich) vaterländischen Späße gut verpackt präsentieren. Auf eine Nachricht freut sich Ihr Rottenhotte ... äh ... Hottentotte!”

Und was soll ich ihnen sagen. Ich wollte da wirklich hin und den Jägern meine Aufwartung machen. Meine Maria sagte zwar unmissverständlich verständlich: ”Wage dich, da hin zu gehen!” aber ich wollte dieses Wagnis tatsächlich auf mich nehmen und die rechtlichen Bedenken meines Weibes zerstreuen. Leider ging mir die E-Mail Antwortadresse der genannten Jäger verloren. Systemabsturz, wenn sie verstehen, was ich meine. Sozusagen: von Windows verweht.

Und als es dann wieder funktionierte habe ich bei Google unter dem Suchbegriff 'Spaßige Schützen' nichts gefunden, ebenso nicht im Weltnetz der NPD. Deshalb wurde es nichts mit meinem Gastspiel im 'Braunen Bären'. Ich bin mir sicher: Das wäre ein Erfolg für mich gewesen - den hätte man bis Braunau hören können. - Braunau? Sie kennen doch sicherlich die schöne Stadt am Inn, die am Stadzeingang eine Marmortafel besitzt, auf der eingemeißelt steht ”Für Frieden, Freiheit und Demokratie. Nie wieder Faschismus. Millionen Tote mahnen.” und die gleichzeitig einen städtischen Ausschuss für Bauangelegenheiten hat, dem ein Obmann der FPÖ vorsteht, was ja der Name 'Ausschuss' schon besagt ... wenn sie verstehen, was ich meine.

(aus: 'Die letzte Lesung [... und andere finale Rettungsschüsse]'/2002)

Montag, 14. April 2008

Freischwimmen

»... Ich bin, das muss ich auch mal zugeben, kein großer Kaffeetrinker vor dem Herrn. Sagt man doch so: vor dem Herrn. Gut ... vor der Dame auch. Aber wenn ich mal einen Kaffee trinken muss, da hänge ich mehr an Nescafé als an richtigem Kaffe, was wahrscheinlich mit frühen Kindheitserinnerungen zusammenhängt und mit der Nescafé-Werbung . Nestlé ist ja bekanntlich der Erfinder des berühmten 'Filter Frio Verfahrens' mit dem man aus ganz normalem flüssigen Kaffee gefriergetrocknete Pulverkörner macht. Ich persönlich bevorzuge ja 'Nescafé Gold'; das ist der Kaffee, den die Welt trinkt, wie es damals so schön in der Werbung hieß. Und da bin ich ja zuhause, in der Welt.

Ich darf das an dieser Stelle einmal sagen: Nein, ich bekomme kein Geld von Nestlé für Kaffeewerbung; ich sag das auch nur, weil mich neulich ein Mann nach einem Gastspiel gefragt hat: "Jetzt mal ehrlich, Sauerchen. Kriegen Se überhaupt Geld für Ihre Kaffewerbung?" "Nein." "Also, mit Verlaub jesacht, da sinnse aber schön blöd." Und aus war das Gespräch. -
Ja, ich bitte sie, muss man denn im Leben aus allem Geld schlagen? Ich bin nun mal kein großer Kaffeetrinker und wenn ich ihnen hier was aus meinem Leben erzähle, dann ist das doch keine Werbung. Das hat mich halt als Kind beeindruckt, wie das ganze Eis aus dem tiefgefrorenen Kaffeee verschwand und 'schwupp' war der Insantkaffee da.

Genauso ging es mir bei den Geruchsbakterien, die man vor Jahrzehnten sichtbar machen konnte und zwar im 'Banner-Forschungsstudio'. So etwas gibt es heute nicht mehr, da waren die damals wirklich fortschrittlich. Heute wird einem doch alles verschwiegen. Stellen sie sich bitte einmal vor: Es gab einmal ein Riesenbettlaken, das in einem Schwimmingpool, jawoll in einem Swimmingpool, mit 50 Packungen 'Weißer Riese' porentief rein gewaschen wurde. Zum Trocknen musste man es sogar mit einem Hubschrauber hochheben. Das waren noch Zeiten. Mit dem Wasser aus dem Schwimmingpool konnte man dann auch gleich noch die Flüsse von Chemikalien säubern. Ja, damals gab es kein unnützes Abwasser.

Früher war der 'Weiße Riese' für und Kinder noch riesig, Shakespeares Ariel rausche wie der Wibelwind durch Küchen und Bäder und machte sie blitzblank, wir badeten unsere Augen in Tillys 'Palmolive'-Werbung und wenn die AVON-Beraterin nach Hause kam, da gab es Nescafé und Stückchen. Ich durfte immer mit dem Fingernagel die Folie oben auf dem Nescafé-Glas einritzen und meine kleine Schwester stand ehrfuchtsvoll daneben.

Maggi war für mich der magische Inhalt einer braunen Flasche, nicht etwa eine eiserne Lady. Und 'Banner' war ein Deo und noch lange keine Werbefläche auf einer Internetseite. So war das damals, vor vielen vielen Jahren in einem weit entfernten Leben - und doch war ich damals mittendrin. Das ist auch etwas, an dem man sich erfreuen kann, wenn man schon älter wird. Manchmal ist es nützlicher, in den Spiegel der Erinnerungen zu schauen als in den Spiegel an der Wand.

Erinnern sie sich doch auch einmal an ihre Kindkeit ... sehen sie: schon baden sie ihre Gedanken drin. ...«


(aus: 'Heimatkunde'/2008)

Freitag, 11. April 2008

Verantwortungslos

Ich bin als Autofahrer völlig verantwortungslos. Das habe ich die Tage feststellen müssen, als ich beim Fernsehen mit der Fernbedienung einfach mal so rumgeschaltet habe um zu sehen, was es so alles zu sehen gibt. Bei einer Dauerwerbesendung der Ambulanz-Versicherung blieb ich hängen, oder um es mit Goethe und Boris Becker zu sagen: "Augenblick, verweile doch, du bist so schön. Magst du mich auch in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn!" Das war jetzt sozusagen die Becker-Faust-Version. Jedenfalls sah ich eine bildhübsche Dame, die einem netten Herrn der Ambulanz-Versicherung harte Fragen stellte. Zum Beispiel, warum die Ambulanz-Versicherung die beste Versicherung überhaupt sei. "Sehen Sie" antwortete der nette Herr von der Ambulanz "das liegt daran, weil wir halt so gut sind." - 'Aha', dachte ich mir 'an dem wird es wohl liegen'.

Nun sind ja Liegen und Lügen im Leben naturgemäß nahe beieinander gebaut, was jeder bestätigen wird, der schon mal im Verkehr unerlaubt die Spur gewechselt hat und dann beim Falschfahren erwischt wurde, weshalb ich dem Vortrag des netten Herrn einmal genauer zuhörte. "Sehen sie" sprach er in die Kamera, "es gibt nichts schlimmeres, als wenn sie irgend wann einmal auf Gerichtskosten sitzenbleiben". Ich denke, er sprach damit nicht nur Räuber und Einbrecher kurz vor deren Hauptverhandlung an. "Es ist doch so: Kaum einer von uns hat genug Geld um das alles zu bezahlen. Rechtsanwälte, Zeugengeld, Verfahrenskosten. Doch es gibt ja auch noch uns, die Ambulanz. Mit unserer Zusatzversicherung für nur drei Euro im Monat ist alles abgedeckt, was da in dieser Richtung auf sie zukommen kann." "Wirklich alles, Herr Albert?" las die bildschöne Dame vom Telepromter ab. "Gut dass Sie mich so von der Seite anquatschen ..." sagte Herr Albert sinngemäß "... aber Sie haben ja recht. Was sie liebe Zuschauer vielleicht nicht wissen: Alle Rechtsschutzversicherungen gelten nicht im Straßenverkehr. So wie die Hausratversicherung keine Fahrraddiebstähle abdeckt, so decken Rechtsschutzversicherungen keine Rechtsstreite im Straßenverkehr ab."

'Aha' dachte ich noch einmal und schon nahm sich der nette Herr Albert mich zur Brust. Das heißt: er deutete so plötzlich und direkt auf mich, wie Uncle Sam es nicht besser hätte machen können. "Es ist verantwortungslos" sagte er "dass im heutigen Straßenverkehr fast jeder ohne eine spezielle Straßenverkehrsrechtsschutzversicherung unterwegs ist. Völlig verantwortungslos." sagte er.
"Und was kann man da tun, Herr Albert?" las die bildschöne Dame nochmals makellos vom Telepromter ab. "Ganz einfach" verriet mir (und allen anderen verantwortungslosen Autofahrern) Herr Albert. "Schließen sie sofort bei der Ambulanz-Versicherung eine Straßenverkehrsrechtsschutzversicherung ab. Dann machen sie's richtig. Rufen sie einfach unsere Hotline an 0815 und drei Mal dürfen sie raten. Dann schicken wir ihnen direkt einen kompetenten Mitarbeiter nach Haus, der auch mal ganz unverbindlich ihre sonstige Versicherungssituation und ihre Finanzen durchleuchtet." - 'Wenn das mal kein Räuber und Einbrecher sein wird' dachte ich mir. Natürlich ausgestattet mit einer Zusatzversicherung für nur drei Euro im Monat, damit er nachher nicht auf denGerichtskosten sitzenbleibt.

Es gibt nämlich solche und solche Einbrecher und Räuber. Manche stehen bei der Ausübung ihres Berufes mit einem Bein im Knast und andere mit einem Bein in der Legalität. Passen sie mir also gut auf, wenn demnächst wieder einmal jemand an ihrer Tür oder i nihrem Telefon klingelt und nur ihr Bestes will.

Die ewigen Schaltkreise

Viele meiner Texte schreibe ich am Computer. Obwohl, so viel verstehe ich von Computeren nicht. Und ich denke mir zu den Dingen oft etwas anderes als gemeint ist, was dann mitunter zu peinlichern Situationen führen kann. Zum Beispiel das Motherboard, die Platine. Da war meine Eselsbrücke eine platinblonde Blondine namens Tine, was zwar Quatsch ist, weil die ja, wenn überhaupt Platinblondine heißen müsste. Jedenfalls musste ich bei 'Platine' immer an eine Frau denken, wegen des Motherboards und so konnte ich mir das gut merken.

Und dann gibt es so einen Speicher auf der Platine, der Daten einfängt und festhällt. Der Cache. Dachte ich, weil ich das von Käscher ableitete, denn der fängt ja Fische ein und hält die dann fest. Meine Tochter hat mich aber neulich belehrt, dass das erstes 'Cage' ausgesprochen wird (wie der Schauspieler Nicolas Cage, der ja mit richtigem Namen Nicolas Coppola heißt) und dass zweitens das Angelgerät, welches ich meine, eine Reuse ist, während dem ein Käscher nur ein Netz an einem runden Griff sei. 'Cage' aber heißt übersetzt Käfig und der sei naturgemäß nicht offen, sagte sie mir.

Also stimmt wahrscheinlich auch meine Erklärung für den Router nicht, der in meiner Vorstellung wie ein Schiffsruder die Richtung steuert, in der die Daten fließen sollen. Ganz zu schweigen vom 'einloggen', das ich mit Hänsel und Gretel assoziierte, die von einer blonden Hexe in das Knusperhaus hineingelockt wurden, obwohl man ja dem Internet nachsagt, dass es viele Menschen süchtig gemacht hat und deshalb kam ich ja auf die platinblonde Hexe.

Peinlich war es ja auch, als man allen Kollegen sagte, sie sollten die Computer runterfahren. Als ich im Erdgeschoss aus dem Aufzug stieg, war ich der Einzige mit einem PC unterm linken und dem Monitor unterm rechten Arm. Fast wäre ich da gestoplpert und mein ganzes System wäre abgestürzt.

Soviel damit zu diesem Thema. Aber seien Sie mir trotzdem auf der Hut, wenn sie am Computer arbeiten, denn das kann ganz schön auf die Nieren gehen, wenn da mal was schiefläuft. Ohne gutes Nierenschutzprogramm sind sie da so gut wie machtlos, wenn ihre Daten in die ewigen Schaltkreise übergehen.

(aus: "nachdenkenkommtvorlesen"/2002)

Die Glückskeks- Verschwörung

»... Wie kommt denn jetzt die Schachtel Glückskekse auf den Tisch? Haben Sie gesehen, wer die da drauf gestellt hat? Sieht ja irgendwie lecker aus, so ein Glückskeks. Ist ja ein Süßgebäck. Und der Inhalt soll ja auch nicht nur nährreich sondern auch lehrreich sein, also was die nähere Zukunft betrifft. Obwohl das Ganze ja keinerlei geschichtlichen Hintergrund hat. Wie, hatten Sie etwa gedacht, das mit den Glückskeksen wäre eine alte chinesische Tradition der Zukunftsdeutung. So ein Quatsch. 'Wer hats erfunden?' Richtig: Ein japanischer Einwanderer in San Franzisko vor genau einhundert Jahren. Und die ebenso ur-amerikanische 'Hong Kong Noodle Company' hat es dann später industriell hergestellt. Seit ein paar Jahren gibt es sogar Glückskekse mit Hiobsbotschaften, wahrscheinlich mit Senffüllung. Ich behaupte das jetzt einfach mal so, es muss ja nicht stimmen.

Woll'n wir doch mal sehen, was mir mein Glückskeks bringt. Was steht auf dem Zettel? "Sie haben den Ruf, direkt und ehrlich zu sein." Interessant, und stimmen tuts außerdem noch ... wirklich ... lecker ... der Keks. Das macht richtig Lust auf einen zweiten. ... Lecker, sage ich Ihnen! ... - "Sie strahlen Power aus. Man bewundert Ihren Einsatz." Na, dass ist ja toll, sozusagen Sauer-Power ... also, in diese Kekse könnte ich mich verlieben. Zum Glück sind ja noch mehr in der Schachtel.

Mal sehen, was der Nächste zu bieten hat. ... Mmmmh! ...
"Ihre Geduld wird heute auf die Probe gestellt." - Also, das ist ja ... das ist ja ein Verschwörung ... eine Glückkeks-Verschwörung. Ein endloses Band aus Keksen und Komplimenten, verschämten und unverschämten. Kein Wunder, dass ich so aussehe, we ich aussehe. Stellen Sie sich einmal vor: Das mache ich im Moment bei jedem Liveauftritt, ist ja Teil meines Programmes. Was meinen Sie was man da zunimmt?

Einen nehme ich aber noch. "Auf drei Keksen kann man nicht stehen", hat schon der alte Lao-Tse gesagt ... jedenfalls so ähnlich. Lao-Tse ist ja mein persönlicher Lieblingsweise, schon seit meiner Jugendzeit. Weil er in seinen Sinnsprüchen zur Erklärung oft den Sinn verdreht. Das mache ich ja auch gelegentlich; einer meiner frühesten Sinnsprüche stammt aus dem Jahre 1976 und lautet: "Du bist so offen, wenn Du zu bist." - Ja, kommt nicht ganz an Lao-Tse ran aber immerhin. "Die Dinge sind dazu da, dass man sie benutzt, um das Leben zu gewinnen, und nicht, dass man das Leben benutzt, um die Dinge zu gewinnen." - Das ist wieder der gute alte Lao-Tse.

Also: Keks Nummero Vier. Und was sagt der mir, was sagt er uns? "Es kann oft einer, was er nicht weiß und weiß oft nicht, was er kann." - Sehen Sie: Ich hatte Recht! ...
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(aus: "Hoffnungslos Hoffnungsvoll"/2005)

Mittwoch, 9. April 2008

Anmerkung No. 1933

DAS IST DER NEUE IN BERLIN

Adolf (43) Fremdenführer, lebt seit zwanzig Jahren in München. Der passionierte Maler hat eine Freundin, die nicht sehr begeistert ist, dass er jetzt in Berlin regiert. Adolf hofft, dass Deutschland auf ihn warten wird, weil er Deutschland über alles liebt.

Adolf sagt von sich selbst, dass er ziemlich zickig werden und mal Engelchen, mal Teufelchen sein kann. Er hält sich für ein verrücktes Huhn und verspricht den Deutschen "ordentlich Party" bis die Bude wackelt.

(Keine Originalmeldung vom 30. Januar 1933)

Montag, 7. April 2008

Anmerkung No. 127

MITWIRKUNGSPFLICHTEN

Am kommenden Donnerstag tagt in Leipzig das Fußball-Sportgericht. Untersucht
werden dabei die Ereignisse beim Oberliga-Spiel Hallescher FC gegen FC Carl Zeiss Jena II. Beim Aufeinandertreffen in der Oberliga Nordost waren die Gäste aus der Hallenser Fankurve Ende März mit "Juden-Jena"-Rufen bedacht worden. Dem Halleschen FC drohen harte Strafen.

Doch nun flatterte den Jenaern eine Vorladung ins Haus, auf der sie statt als Zeugen als Mitbeschuldigte vorgeladen werden. "Ich bin vollkommen ratlos und lasse mich am Donnerstag mal überraschen", sagte Hans-Heinrich Tamme, der die Thüringer am Donnerstag in Leipzig vertreten wird.

Beim Nordostdeutschen Fußball Verband (NOFV) hingegen hält man das Vorgehen für folgerichtig. Schließlich müsse geklärt werden, ob der Verein seinen "Mitwirkungspflichten" ausreichend nachgekommen sei, so NOFV-Sprecher Stephan Oberholz. Weder Schiedsrichter noch Angehörige beider Vereine wollten die Rufe gehört haben.

Es sei vorstellbar, so Oberholz, dass sich Carl Zeiss Jena der "unzureichenden Unterstützung der Heimmannschaft" schuldig gemacht habe, beispielsweise dadurch, dass kein Offizieller des Vereins die antisemitischen Rufe beim Heimverein angezeigt habe.

(Originalmeldung bei SPIEGEL ONLINE/2008)

Anmerkung No. 126

DAS IST DIE NEUE BEI BIG BROTHER

Mandy (20) Kosmetikerin, lebt mit ihren Eltern in Wedderstedt in Sachsen-Anhalt. Die passionierte Solarium-Besucherin hat einen Freund, der nicht sehr begeistert ist, dass sie bei BB mitmacht, doch sie hofft, dass er auf sie warten wird, weil sie ihn über alles liebt.

Mandy sagt von sich selbst, dass sie ziemlich zickig werden und mal Engelchen, mal Teufelchen sein kann. Sie hält sich für ein verrücktes Huhn und verspricht den Bewohnern "ordentlich Party".


(Originalmeldung im Teletext des TV-Senders RTL2/2008)

Freitag, 4. April 2008

Was ich nicht leiden kann

Wissen sie, was ich nicht leiden kann? Das sind so Vertretertypen mit ihren aalglatten, weil mühsam eingebleuten und im täglichen Geschäftsleben verinnerlichten, Sprüchen. Gut, ich sage immer: leben und leben lassen! Aber in Wirklichkeit lassen sie mich - lassen uns - nicht leben, sondern machen uns das Leben schwer. Ich meine die Typen von Vertretern, die alte Menschen so lange bequatschen, bis diese entnervt irgend etwas unterschreiben, egal was auch immer, nur damit die Vertreter wieder den persönlichen Lebenraum ihrer Opfer achten und räumen und diese in Ruhe lassen. Natürlich gibt es auch die aufrichtigen Vertreter, die uns enthusiastisch eine Innovation anpreisen, von er sie selbst noch überrascht scheinen. Meist stehen die am Anfang einer langen Berufskarriere, an deren Ende ihnen ebenfalls die Umsatzquote im Nacken sitzt uns es ihnen nichts mehr ausmacht, der Feuerwehr Feuerlöscher zu verkaufen.

Ein solches Exemplar der Gattung 'Hirudo' hatte es auf mich abgesehen, als ich im Verwaltungstrakt eines Radiosenders wartete, weil mein zuvor vereinbarter Termin von eben diesem Vertreter einer Telekommunikationsfirma wahrgenommen wurde. Ich erfuhr durch die halbgeöffnete Tür etwas über günstige DSL 2000 bis DSL 16000 Flatrate mit und ohne Festnetz und Mobilfunk, die neue Festnetz-Flatrate plus Handy-Flatrate, ISDN-Anschluss gratis und so weiter. "Wir können Ihnen auch das Angebot machen, fünf Pipes zu reservieren. Natürlich werden sie jetzt denken, wozu brauche ich fünf Pipes? Mit dieser Frage habe ich schon gerechnet und ihnen dehalb einmal dieses Beispiel vorbereitet. Wie sie ja sicher wissen benötigt einmal 'googeln' so viel Strom wie eine Energiesparlampe in einer Stunde, eine Figur in der virtuellen Welt 'Second Life' verbraucht pro Jahr mehr Energie wie ein lebendiger Brasilianer, die Stromerzeugung für das gesamte Internet bringt so viel CO2 hervor wie der gesamte globale Luftverkehr. Aber genau da setzen wir ein mit unseren Pipes ..." Nach weiteren drei Minuten war er dann am Ziel und bot dem Radiosender einen Vertrag an, wonach dieser mit allen Nummern und allen Ip-Ports zu 'What-U-Tel' wechseln sollte. Als der Leiter äußerte, dass er das Angebot gerne einmal kopieren wolle und dazu das Büro verlies, fiel der Blick des Vertreters auf mich.

"Und" fragte er zwischen Tür und Angel, "hat der Herr sich auch schon einmal Gedanken gemacht, zu uns zu wechseln? Ich könnte da etwas für sie tun." und fügte ein "Gestatten Schmidt, Vertriebsleiter Comware & Personal Flat-Design von 'What-U-Tel' Ost" an. "Danke" antwortete ich "Wir sind schon bei 'What-U-Tel' und sehr unzufrieden." "Unzufrieden" wiederholte Herr Schmidt und runzelte die Stirn. "Weshalb denn?" "Weil wir einen DSL 2000 Vertrag haben und höchsten DSL 900 erhalten." "Ah" sagte Herr Schmidt "Da wohnen sie wohl sehr weit von unserem Inline-Servce-Terminal weg." "Es geht" sprach ich "Es sind rund 250 Meter." "Na dann sind sie wahrscheinlich zu nah. Ich bin jetzt kein Techniker, aber da kann man etwas machen. Wie wäre es mit SDSL?" "Was ist SDSL?" "Symetric DSL. Das beschleunigt langsame Verbindungen auf bis zu DSL 16000." "Wenn es nicht mehr kostet, als unser bisheriger Anschluss ..." sprach ich. Da lachte Herr Schmidt.

"Also Herr Sauer. Das können sie sich doch wohl denken, wenn sie jetzt DSL 2000 haben und zukünftig 16000, dann kostet das schon mehr." "Ich habe aber derzeit kein 2000 sondern allenfalls 900." "Sind sie ganz sicher?" wollte Herr Schmidt wissen. "Meine Tochter betreibt ein Webradio und dort buffert es dauernd, weil ihr Kabel in unserer Straße nicht mehr schafft als DSL 900." "Sag ich doch" sagte Herr Schmidt. "Wenn ich ihnen hier einmal unser Produkt SDSL kurz vorstellen dürfte." "Nein!" sprach ich. "Wenn sie wirklich etwas für uns tun können, dann lassen sie die Straße aufbaggern und das Glasfaserkabel durch ein Kupferkabel ersetzen, damit wir endlich von 'What-U-Tel' das erhalten, für was wir schon die ganze Zeit bezahlen."

"Aber das Telefon geht doch, oder?" wollte Herr Schmidt wissen. "Hin und wieder" antwortete ich ihm. "Wenn es mal wieder ausfällt, so für ein oder zwei Stunden, dann rufen wir die Hotline in Berlin an und hören dann von einer virtuellen Dame kostenpflichtig, dass an dem Problem gearbeitet wird, obwohl ich das Problem noch gar nicht geschildert hatte." "Sagten sie 'Hotline'?" fragte Herr Schmidt und fügte ein "Ich sehe daran, dass sie kein Premium Geschäftskunde sind sondern nur Privatnutzer." "Und was heißt das?" "Das bedeutet, dass Premium Geschäftskunden direkt auf unserem Service-Telefon anrufen können und dann sofort ..." "Ich rede davon" unterbrach ich ihn "dass unser Telefon nicht geht und es deshalb egal ist, ob ich als Privatnutzer oder als Premiumkunde NICHT telefonieren kann, schon gar nicht bei einem Service-Telefon." "Und wie rufen sie dann überhaupt an?" "ÜBER MEIN HANDY ..." "Und, wenn ich einmal fragen darf, haben sie sich da schon einmal unseren Absolut-Live-Tarif für Handys angeschaut?" Bevor ich explodieren konnte kam der Radioleiter wieder zurück, in der HAnd den kopierten Vertrag, und schloß die Tür hinter sich.

Sehen sie, das sind die Vertretertypen, die ich nicht leiden kann.