Donnerstag, 26. Juni 2008

Der Unterschied zwischen Kabarett und Comedy

Sehen sie es doch einmal so:

- Kabarett wird gemeinhin als Kleinkunst definiert, Comedy dagegen als humoristische Unterhaltung.
- Kabarett hat meist eher gesellschaftliche oder politische Inhalte, die Comedy macht sich über alles und jeden lustig.
- Kabarett ist, auch wenn sich gelegentlich alles ein wenig vermischt und sogenannte Comedians durchaus auch politische Ansprüche erkennen lassen, letzlich immer, wie Wortstamm und Historie belegen, Kunst mit intellektuellem Anspruch, während Comedy eine Form der Bühnenkomik ist, bei der der Comedian einfach nur Klamauk und/oder reinen Spaß macht.
- Kabarett ist das Fokussieren auf den Menschen in seinem Sein, Comedy ist das Fokussieren auf den Menschen in seinem Wirken oder besser gesagt Auswirken.
- Kabarett ist Wortspielerei, Comedy ist Wortschreierei.
- Comedy-Künstler machen das, was sie machen, wegem dem Geld und Kabarettisten des Geldes wegen.
- Stan Laurel und Oliver Hardy sind Comedy, Groucho Marx ist Kabarett.

So! - Jetzt wissen sie was Kabarett von Comedy unterscheidet und darauf sollten sie es auch beruhen lassen.

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Ach, übrigens: Wenn Sie im Juli nicht in Deutschland sondern in den USA sind, und deshalb den heimischen Unterschied zwischen Kabarett und Comedy nicht erleben können, empfehle ich Ihnen das bekannte und beliebte 'GermanFest' in Milwaukee. Dort sieht man den Unterschied zwischen Deutschland und dem, was US-Amerikaner sich unter Germany vorstellen. Schauen Sie es sich einfach mal an, es ist gut gemacht und es lohnt sich auf jeden Fall. www.GermanFest.com

Dienstag, 24. Juni 2008

Zwangsbefreundet

Meine Ex-Chefin sagte einst, als sie dachte, ich hätte etwas ausgefressen und ich mich für mein Tun rechtfertigte: "Ich weiß, Sie können alles erklären". Der Menschenkenner und Niederrheiner Hanns Dieter Hüsch sagte immer: "Der Niederrheiner weiß nix, kann aber alles erklären". Ich würde da schon einen Schritt weitergehen und sagen: Der Deutsche kann allgemein betrachtet alles erklären und benutzt, wenn er sich dafür rechtfertigen will, eine Kelle aus seinem Kessel mit Sprichworten. (Ob es nun Sprichworte oder Sprichwörter heißt, darin ist sich der große Google nicht ganz einig ... 998.000 Treffer gab es für Sprichworte und 997.000 für Sprichwörter. Mir sind Worte lieber als Wörter, letzteres klingt mir auch zu sehr nach Aufsehern.)

Und wenn ich sage '
Der Deutsche kann allgemein betrachtet alles erklären', dann meine ich das auch so. Es gibt für jede Situation einen passenden Spruch und für das genaue Gegenteil einen ebenso passenden. Nehmen wir einmal die Situation, dass es ein Mensch mit viel Ehrgeiz und dem notwendigen Durchsetzungsvermögen geschafft hat, sein Ziel zu erreichen. Da hört man oft, dass das Glück mit den Tüchtigen sei. War er jedoch bei Lichte betrachtet faul und hat absolut nichts für seinen Erfolg getan, was ja das Glück wohl eher strapaziert hätte, dann kommt der, fast schon syntaktisch in althochdeutsch abgefasste, Hinweis "Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf", was ja nun wohl unzeifelhaft nur für religiöse Menschen gelten sollte aber weit öfter auch über Heiden geäußert wird.

Ebenso verhält es sich mit Freundschaften, wobei hier ein Sprichwort das andere jagt. "Besitz findet Freunde" sagten schon die alten Römer und auch damals war wohl schon der Grundsatz, dass Geld die Freundschaft erhält wohlbekannt. Die Comedian Harmonists brachten wahre Freundschaft auf den Punkt, als sie sangen: "Liebe vergeht, Liebe verweht, Freundschaft alleine besteht. Ja, man vergißt, wen man vergißt, weil auch die Treue längst unmodern ist. Ja, man verließ manche Madam', wir aber halten zusamm. Ein Freund, ein wirklicher Freund, das ist doch der größte Schatz, den's gibt."

Während man aber im privaten Bereich noch halbwegs entscheiden darf, wer zu einem passt und wem man deshalb seine Freundschaft anbietet, so hat man als Deutscher und Staatsbürger die Entscheidungen seiner Regierung zu respektieren. Da kommt es dann schon mal zu Zwangsfreundschaften, die man pflegen muss, die einem persönlich aber unendlich wenig bedeuten. Heinz Rudolf Kunze hat einmal gesagt, die Deutschen seien heute schon mit Ländern befreundet, in denen man früher mit dem Panzer nicht einmal zum Tanken gehalten hätte, was nicht ganz stimt, ich habe es im Atlas nachgeschaut und die Länder, in denen wir früher mit dem Panzer unterwegs waren sind, bezogen auf den Weltkrieg II, allesamt so groß, dass man ohne zu tanken aufgeschmissen ist, und im Weltkrieg I waren sie zwar kleinen aber da kam man auch nicht so weit, dass man mit einem Rutsch hätte durchbrettern können; außerdem besagte damals der Name 'Tank' wirklich restlos alles, was es zumThema Treibstoff verbrauch zu sagen gäbe. Kunze lag also falsch und opferte für die billige Pointe die geschichtliche Korrektheit. Vielleicht hat es Kunze auch metaphorisch gemeint und damit sagen wollen, dass ihm die zwangsbestimmte Zwangsbefreundung zu weit geht. Aber heißt es nicht in einem Sprichwort, "Jedermann will einen Freund haben, aber niemand gibt sich Mühe, auch einer zu sein"?

Es liegt also an uns, Freundschaften zu pflegen, den Türken auch mal zu gratulieren, wenn sie die Deutsche Mannschaft im Fußball besiegen, Afrikanern dankbar dafür zu sein, dass Homo, der Mensch, einst auf seinem Grund und Boden entstanden ist, Polen gut zu finden, die im strukturschwachen Vorpommern Waren herstellen, 'Made in Germany'. Aber was machen wir? Viele von uns fühlen sich von den in Deutschland lebenden und arbeitenden Türken belästigt, wollen alle Afrikaner am liebsten heute als morgen zurück in den Dschungel verfrachten und den Polen klarmachen, wo aus unserer Sicht immer noch die deutsche Tolleranzgrenze liegt. Von schlimmeren Exzessen ganz zu schweigen. Weil das ja eine deutsche Tugend ist, das Totschweigen bestimmter Vorkommnisse. Ich finde, wir sollten nicht schweigen, wir sollten auch nichts anbrennen lassen, keine Länder, keine Häuser, keine Menschen.

So gesehen fühle ich mich gelegentlich eher mit den USA oder Rußland zwangsbefeundet
, als mit Polen, Türken oder Afrikanern. Andererseits halfen die Amerikaner und Russen uns nach dem Krieg zu überleben. und sgt man nicht auch "Ein Freund ist ein Mensch der zu dir kommt wenn andere gehen"? - So geht es mir oft, ich bin eben ein richiger Deutscher. Ist es nicht so, dass Freunde wie Klamotten sind. Wenn man jung ist kann man nicht genug davon haben, doch mit der Zeit stellt man fest, es sind immer die gleichen, mit denen man sich wohlfühlt.

In diesem Sinne ...

(aus: "Was hinter einem vorgeht - Ein neues Programm"/2008)

Donnerstag, 12. Juni 2008

Ideal und Wirklichkeit (Nach-der-Wende-Version)

In stiller Nacht und monogamen Betten
denkst du dir aus, was dir am Leben fehlt.
Die Nerven knistern. Wenn wir das doch hätten,
was uns, weil es nicht da ist, leise quält.
Du präparierst dir im Gedankengange
das, was du willst - und nachher kriegst das nie ...

Man möchte immer eine große Lange,
und dann bekommt man eine kleine Dicke -
C'est la vie -!
Man möchte immer eine große Lange,
und dann bekommt man eine kleine Dicke -
C'est la vie -!

Man möchte eine helle Pfeife kaufen
Und kauft die dunkle, weil andere sind nicht da.
Man möchte jeden Morgen dauerlaufen
und tut es nicht. Beinah ... beinah ...
Wir dachten am 9. November lange
an eine neue Republik ... und nun ist's eben die!

Man möchte immer eine große Lange,
und dann bekommt man eine kleine Dicke -
C'est la vie -!
Man möchte immer eine große Lange,
und dann bekommt man eine kleine Dicke -
Ssälawih -!

(Text: Kurt Tucholsky/05.11.1929, Textbearbeitung und Musik: rainerWsauer/10.11.2005)

Das Lied vom Schlachthof

Ich esse gerne Wurst und Fleisch
und liebe saftige Steaks vom Grill
Die Thüringer Bratwurst verteidige ich
bis aufs Messer

Aber immer wenn ich Schlachthöfe sehe
seh ich den Tod
Immer wenn ich Schlachthöfe sehe
dann rieche ich Blut

Früher hab ich Musik gemacht
im Musikclub Schlachthof
Das hat mir nichts ausgemacht
denn ich war ja noch jung

Doch jetzt bin ich ein Mensch
und sehe das anders
Ich sehe die Lebewesen, die man hineinfährt
und keines davon kommt zurück
Teilweise setzt man Gas ein
um die Tiere zu betäuben
denn dann merken die nichts davon
dass man sie ein Leben lang betrogen hat

Ja, immer wenn ich Schlachthöfe sehe
seh ich den Tod
Immer wenn ich Schlachthöfe sehe
dann rieche ich Blut

Ich esse gerne Wurst und Fleisch
(hmmm, lecker)
und liebe saftige Steaks vom Grill
(am liebsten sind mir die argentinischen, weil die so zart sind)
Die Thüringer Bratwurst verteidige ich
(weil sie es durchaus verdient hat)
bis aufs Messer
(nur in einem gesunden Darm steckt auch ein gesundes Tier)

Doch wenn ich Schlachthöfe sehe
dann seh ich den Tod
Ja, immer wenn ich Schlachthöfe sehe
dann rieche ich Blut
Blut, Blut, Blut, Blut ...

(aus: "Was hinter einem vorgeht - Ein neues Programm -"/2008)

Dienstag, 10. Juni 2008

Das wollte ich nur einmal am Rande erwähnt haben

Wir leben ja heute in einer Gesellschaft, in der Gesundheit und Fitness, Schönheit und Wellness zu einer Art Ersatzreligion geworden sind. Fürwahr ist die Konfession 'Gesundheit' inzwischen in den westlichen Ländern zur mächtigsten und teuersten aller Weltreligionen geworden, denn unsere Gesundheit ist ja unser höchstes Gut, wie ständig zu hören ist. Kliniken sind unsere modernen Kathedralen, jeder hat einen speziellen Arzt als Messias erkannt und je weiter weg eine Heilbehandlung ist, desto höher ist unsere Heilserwartung. Auch die weiteren Indizien sprechen für sich: Die Chefarztvisite gleicht einer Prozession, mit dem Pflegepersonal als Ministranten, und als Heilige Schrift wird die Patientenakte verehrt. Wenn so vieles für eine neue Religion spricht, muss auch die Gegenseite vertreten sein und tatsächlich sehen wir die Krankenkassen als Orte von Höllenqualen und Pein.

Man kann aber auch ohne medizinische Hilfe versuchen, gesund zu werden, wobei der Seitenast der Gesundheitsreligion der Städtemarathon ist. Kaum eine Stadt hat noch keinen, "Sagen sie mal, haben Sie einen Städtemarathon in Aschersleben? Nein? Dann sollten sie das schleunigst nachholen, sonst kriegen Sie noch die Stadtrechte aberkannt." - Jedoch, was da rudelförmig schwitzend im Kreis herumrennt, das soll der Höhepunkt der Schöpfung: der Homo sapiens sein. Tiere würden sich über uns schlapplachen, wenn sie nurim Ansatz verstehen würden, was wir da veranstalten. "Haben sie schon einmal einen Marathon gelaufen?" "Ja, einen Halbmarathon." "Halbmarathon? - Ja, ich muss dann mal weiter. Nichts für ungut ... also sowas ... Halbmarathon ... ich mach mich doch nicht hier zum Affen mit solchen Weicheiern ... also so etwas ..."

Und überhaupt das Selbstkasteien durch Fasten. Sogar Helmut Kohl hat ja jedes Jahr Heilfasten betrieben. Obs was geholfen hat? Da fragen sie ihn am besten einmal selbst. Früher hat man Verzicht geübt, um überhaupt in den Himmel zu kommen. Heute ist der Deal mit 'da oben' schon so gut wie perfekt und man fastet noch extra was dazu um möglichst spät in den Himmel zu kommen. Menschen ernähren sich von Urkost, Rohkost, lassen das Kochen ganz sein, spülen den Darm, essen gequetschte Körner und Schlimmeres um am Ende doch zu sterben. Der Weg bis zum Tode ist aber ein fades Leben unter Gewaltverzicht auf die schönen Dinge des Lebens. Jawohl: Um den Tod zu vermeiden, nehmen sich diese Menschen das Leben.

Ich plädiere aber im Zweifel immer für den Angeklagten, zwar für einen verantwortlichen, aber eben einen normalen Umgang mit der Gesundheit. Und ich plädiere darüber hinaus für die Freiheit des Menschen auch einmal richtig ungesund zu essen. Mit viel Cholesterin, Fett, Zucker und einem leckeren Fläschchen Alkohol.


Weil ich gerade den Tod angesprochen hatte. Ich habe hierfür ja noch ein wenig Zeit, obwohl, man kann ja nie wissen, wann Freund Hein mit seiner Sense zuschlägt. Wie sieht es denn aus mit dem alten Mensch in unserer Gesellschaft? Wie soll man sich positioniern bei den Themen 'Embryonale Stammzellen', 'Leben mit Behinderungen', 'Patientenverfügungen'? Hat bei uns tatsächlich jeder Mensch die grundgesetzlich zugesicherte Würde in gleicher Weise? Schon bei den Naturvölkern wurde das Alter geehrt und verehrt. Ein alter Mensch ist doch kein Objekt, das man instand zu halten hat; ein alter Mensch ist immer Subjekt, das lebt und Erfahrung mit dem hat, was im Leben wichtig.

Ich verspreche Ihnen, jedem einzelnen: Du wirst es auch erkennen. Vielleicht nicht gleich heute, Gott bewahre. Aber irgend wann einmal. Dabei wird Dir klar: Kein Augenblick Deines Lebens ist wiederholbar, kein Mensch ist wiederholbar. Zwecklos, aber höchst sinnvoll ist es da, wenn man bei Zeiten, in schönen Dingen, in Kunst und Musik, in Momenten der Muße, dem Sinn des Lebens nachspürt. Zwecklos, aber höchst sinnvoll. Denn um gesund zu leben, muss man der Welt im Ganzen zustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Geduld mit mir.

(aus: "Was hinter einen vorgeht - Ein neues Programm -"/2008)

Was hinter einem vorgeht

"Was darf Satire?" fragte Ignaz Wrobel aba Kurt Tucholsky Ende Januar 1919 im 'Berliner Tageblatt' und stellte seiner zeitlosen Antwort einen Dialog von Gerhart Hauptmann voran. »Frau Vockerat: "Aber man muß doch seine Freude haben können an der Kunst." Johannes: "Man kann viel mehr haben an der Kunst als seine Freude."«

Ich meine: Satire ist gut und Satire ist wichtig und Satire ist unangreifbar. Sie kann man schon einmal den SPD-Vorsitzenen als Problembär bezeichnen, der zum Abschuss freigegeben ist, oder das sogenannte 'Inzest Monster von Amstetten' als österreichisches Fussball-EM-Maskotchen vorschlagen. Sie kann deutschen Fußballspielern bildlich mit dem Schwert die Köpfe abschlagen und manche Menschen haben dabei satirisch viel Spaß. Aber wehe es kommt der Pole unseren Kickern mir dem Schwerte zu nah'. Dann ist aber Polen offen, sage ich Ihnen.

Satire ist also zuallererst eine Nationalsache. Und zweitens ist auch noch die Frage zu klären, ob die Macher der Satire es nicht vielleicht doch ernst gemeint haben. "Der Abgeordnete Joschka Fischer nimmt nun unter Bedauern seinen Ausdruck 'Sie Arschloch' zurück, den er dem Herrn Landtagspräsidenten gestern auf den Kopf zugesagt hatte." "Herr Landtagspräsident, ich bedaure, dass ich den Ausspruch 'Sie Arschloch' zurücknehmen muss." - War es nun so gewesen oder nicht? Oft sind für den geneigten Verfolger des Geschehens Realität, Satire und Realsatire nicht mehr auseinander zu halten und das kommt so:

Wenn ein Mann wie Klaus Zumwinkel in der Öffentlichkeit ans Kreuz geschlagen wird, weil er eine Million Euro seines Vermögens am Fiskus vorbei nach Liechenstein verschoben hat, dann hat das seinen Grund. Wochenlang war er die Verkörperung des Bösen in unserer Gesellschaft. Kein Mensch redete da mehr über die drei, vier fünf Spar- und Landeskassenbanken, die gerade ettliche Milliarden fremden Vermögens, nämlich überwiegend das Vermögen der Kleinsparer, durch Immobilienspekulationen verzockt, verloren, vernichtet hatten. Waren es zusammen zehn-, elf- oder sogar zwölftausen Millionen Euro gewesen? Alles kein Problem, denn man hatte ja Zumwinkel und seine Million; Peanuts, ach was sage ich: eine Peanut im Vergleich zu dem Sack voller fremder Erdnüsse, den die anderen auf nimmer Wiedersehen ausgegeben hatten. Von da her kommt ja auch der Ausdruck 'einen ausgeben'. Übrigens ist Zumwinkels Million immer noch da. Dafür wurde der Mann verhaftet, ins Gefängnis gesteckt und er wird dafür selbstverständlich auch hart bestraft werden.

Sehen Sie, das ist Satire, Realsatire auf dem Höhepunkt dessen, was Satire kann und darf. Sie verwirrt uns, blendet unsere Ohren, erpresst unsere Augen. Der Blick auf die Realität geht dabei planmäßig verloren; die Aufregung um die Frage 'Dürfen die das?' beschäftigt die Menschen umso mehr. Und deshalb müssen wir nun nicht immer gleich aufbegehren, wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt; das stellte schon Tucholsky fest. "Der deutsche Satiriker" so schreibt er "tanzt zwischen Berufsständen, Klassen, Konfessionen und Lokaleinrichtungen einen ständigen Eiertanz. Das ist gewiß recht graziös, aber auf Dauer etwas ermüdend. Die echte Satire ist blutreinigend: und wer gesundes Blut hat, der hat auch einen reinen Teint."

Was darf die Satire? - Nach wie vor: Alles. Genau deshalb gilt beim Lesen der Boulevardpresse: "Augen auf beim Schlagzeilen-Abkauf!" - Manchmal steht etwas ganz anderes dahinter. Nämlich das, was hinter einem vor sich geht.

(aus: "Was hinter einem vorgeht - Ein neues Programm -"/2008)

Donnerstag, 5. Juni 2008

Tucholsky, Schiller und Hüsch

Ich bin ja, das wissen inzwischen wohl die meisten, als frei-religiöser Schillerkenner sowohl ein Tucholskyist als auch bekennender Hüschianer, das nun bereits seit über 30 Jahren und ich komme davon auch nicht mehr los. Schon in der Schule mochte ich Schiller lieber als Goethe, in der Lehre verschlang ich regelrecht Tucholskys Texte und mit knapp 20 Jahren machte ich meine ersten Solo-Auftritte so wie ich es von Hanns Dieter Hüsch gelernt hatte. 'Wer konsequent sein will, muss konsequent bleiben' sagte ich einst und so ist es gekommen bis heute.

In der Stadt, in welcher Schiller die längste Zeit seines Lebens verbrachte, lebe ich nun schon fast doppelt so lange wie dieser selbst. 2005 habe in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität Kurt Tucholskys 70. Todestag inszeniert und bin heute Hanns Dieter Hüschs Webmaster. Grund genug also, endlich einmal meine Lieblings-Worte zum Alltag von den Dreien zu präsentieren:

Auf Platz 1 ist: Friedrich von Schiller (1759 - 1805) mit ...
"Daran erkenn' ich meine Pappenheimer."
"Das Auge des Gesetzes wacht."
"Das eben ist der Fluch der bösen Tat."
"Da werden Weiber zu Hyänen "
"Dem Mann kann geholfen werden"
"Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt."
"Der kluge Mann baut vor."
"Der Mann muss hinaus ins feindliche Leben."
"Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen."
"Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb."
"Die Axt im Haus erspart den Zimmermann."
"Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet."
"Durch diese hohle Gasse muß er kommen."
"Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt."
"Es lächelt der See, er ladet zum Bade."
"Früh übt sich, was ein Meister werden will."
"Hier wendet sich der Gast mit Grausen."
"Ich bin besser als mein Ruf."
"Ich bin der Letzte meines Stamms."
"Ich habe getan, was getan werden musste. Tun Sie das Ihrige."
"Ich habe mich nie mit Kleinigkeiten abgegeben."
"Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte."
"Mit Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens."
"Sehn wir doch das Große aller Zeiten, auf den Brettern, die die Welt bedeuten, sinnvoll still an uns vorübergehn."
"Spät kommt Ihr - doch Ihr kommt!"
"Was man nicht aufgibt, hat man nie verloren."
"»Was tun?«, spricht Zeus."
"Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!"
"Wie kommt mir solcher Glanz in meine Hütte?"
"Wir sind ein Volk und einig wollen wir handeln."
"Wo rohe Kräfte sinnlos walten, da kann sich kein Gebild gestalten."

Auf Platz 2 folgt Kurt Tucholsky (1890 - 1935) mit:
"Als deutscher Tourist im Ausland steht man vor der Frage, ob man sich anständig benehmen muß oder ob schon deutsche Touristen dagewesen sind."
"Der Vorteil von Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Umgekehrt ist das wesentlich schwieriger."
"Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt. Sieh sie dir an!"
"In der Ehe pflegt gewöhnlich einer der Dumme zu sein. Nur wenn zwei Dumme heiraten, das kann mitunter gut gehn."
"In der vollkommenen Stille hört man die ganze Welt."
"Jubel über militärische Schauspiele ist Reklame für den nächsten Krieg."
"Soldaten sind Mörder."
"Wer seine Memoiren schreibt, hat etwas zu verbergen."
"Was die Kirche nicht verbieten kann, das segnet sie."

Leider nur auf Platz 3 kommt Hanns Dieter Hüsch (1925 - 2005) mit:
"Der Choral des Niederrheiners? - 'Wat willze machen, an sonem Tag biss einfach aufgeschmissen."
"Der Niederrheiner ist überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären. Umgekehrt: Wenn man ihm etwas erklärt, versteht er nichts, sagt aber dauernd: Is doch logisch ..."
"... und dann ist der Niederrheiner auch noch aggressiv gehemmt."
"Die deutsche Sprache ist unbestechlich."
"Ich bin gekommen Euch zum Spaß / und gehe hin, wo Leides ist / und Freude / und wo beides ist / zu lernen Mensch und Maß."
"Ich möcht' ein Clown sein und immer lachen. Ich möcht' ein Clown sein und die andern lachen machen."
"Ich sing für die Verrückten, die seitlich Umgeknickten, die eines Tags nach vorne fallen und unbemerkt von allen sich aus der Schöpfung schleichen, weil Trost und Kraft nicht reichen, und einfach die Geschichte überspringen - für diese Leute will ich singen."
"Kennst Du diese plötzlichen Sekunden, wenn Dir einfällt, dass Du sterben musst. Siegessicher gehst Du durch die Stunden, doch auf einmal wird es Dir bewusst."
"Meine Grabinschrift: Die einen werden sagen, er hat zu viel gemacht. Die anderen werden sagen, er hat sich zu wenig bewegt. Ich aber sage euch, lasst mich in Ruh."
"Satire ist Tingeltangel, Dichtung ist Wahrheit."

Das sind Worte zum Alltag, im Alltag vom Alltag. Zeitlos gut.