Mittwoch, 31. Dezember 2008

Kurz vor Jahresschluss

31. Dezember, 10 Uhr 00: Alle Menschen freuen sich auf die Silvesternacht. Allen voran die Seniorin Edith K., die in der Plattenbausiedlung Lobeda-West (einer Stadt, deren Name hier keine Rolle spielt) durch ihren Enkel Guntram eine defekte Elektrokerze in ihrem Schwippbogen auf der Fensterbank ihres Wohnzimmers in der 8. Etage austauschen lässt. Endlich breitet sich bei ihr wieder nachweihnachtliche Stimmung aus, die Freude ist groß.

12 Uhr23: Beim Entleeren seines Müllsackes beobachtet Edith K.s Nachbar Werner O. die provokante Nachweihnachtsoffensive in der 8. Etage. Zwei Tage lang hatte er sich gefreut, dass Oma K.s Schwippbogen, der zuvor seit dem 1. Advent Tag und Nacht geleuchtet hatte, endlich abgeschaltet war. Nun kontert umgehend mit der Aufstellung des zwölfarmigen dänischen Kandelabers zu je 25 Watt im Küchenfenster. besorgte Nachbarn, die nach Weihnachten bereits abgerüstet hatten, sehen dies und handeln. Nur wenige Stunden später erstrahlt fast ganz Neu-Lobeda sieben Tage nach dem Heiligen Abend erneut im besinnlichen Glanz von Tausenden Fensterdekorationen.

Es ist 18 Uhr 16: Im Vorbeifahren sieht ein Autofahrer aus Gera den Glanz der Lobedaer Lichtstadt und baut nach der Rückkehr in seine Heimatstadt an seinem EInfamilienhaus die 1800 Watt Weihnachtsbeleuchtung wieder auf. In Gera-Lusan sieht man dies und reagiert.

19 Uhr 20: In der E.ON Schaltzentrale Mitteldeutschland registriert der wachhabende Ingenieur irrtümlich einen Defekt der Strommessgeräte für den Bereich Ostthüringen, ist allerdings zunächst arglos.

20 Uhr 04: Noch vor der Neujahrsansprache der Kanzlerin gelingt einem Elektrobastler in Jena-Winzerla der Anschluß einer Kettenschaltung von 96 Airbus Landescheinwerfern, durch die zwischen Göschwitz und Ammerbach Teile der heimischen Vogelwelt verwirrt mit dem Nestbau beginnen.

20 Uhr 51: Diskothekenbesitzer Torsten B. aus Apolda sieht sich genötigt seinerseits einen Teil zur Erhellung des silvesterlichen Himmels beizutragen und montiert auf dem Flachdach seines Industriebaus das Laseresemble Metropolis, eines der leistungsstärksten in Europas, dass er eigentlich erst im neuen Jahr ausprobieren wollte. Die Fassade eines angrenzenden Backsteingeäudes hält dem Dauerfeuer des Laserensembles mehrere Minuten stand, bevor sie mit einem häßlichen Geräusch zerbröselt und in sich zusammenfällt.

21 Uhr 46: Im Trubel einer kleinen, spontanen Silvesterfeier in der E.ON Schaltzentrale Mitteldeutschland, überhören die vier Mitarbeiter der Nachschicht, während man das RTL Fernsehprogramm verfolgt und einer Dame zuschaut, die mit ihren Riesenbrüsten Bierfässlein als Alu zerdeppert, das Alarmsignal aus Ostthüringen.

22 Uhr 05: Zwei verdiente Antifaschisten, die 1945 als Widerstandskämpfer im Untergrund gegen Nazi-Deutschland arbeiteten, holen aus bisher streng gehüteten Geheimverstecken, letzte Reserven an Leuchtmunition und verschießen diese in den Nachthimmel. In Jena und Gera eröffnen zwei weitere Diskothekenbesitzer derweil ihre Belechtungsoffensive, da sie nah einem Handyrundruf irrtümlich annehmen, die Leuchtmunition wäre das Laserensemble Metropolis aus Apolda. Jena zaubert mit Hilfe von amerikanischen Laserwerfern den Stern von Bethlehem an die tiefhängende Wolkendecke; Gera kontert mit einem 180.000 Watt Elektrofeuerwerk aus China, das bislang vom Deutschen TÜV aus gutem Gurnd noch gar nicht freigegeben wurde.

22 Uhr 12: Eine Gruppe ukrainischer Geschäftsleute irrt, nebst weiblicher Begleitung, verängstigt durch Lobeda, nachdem ihre Tupolev mit Ziel Erfurt versehentlich im Gewerbegebiet Jen A4, nahe dem mit 3000 bunten Neonröhren bestückten Autohaus Reichstein & Opitz gelandet ist.

22 Uhr 47: Von der internationmalen Raumstation ISS sendet der wachhabende Kosmonaut Grigori Kossonossow Bilder einer angeblichen Supernova auf der nördlichen Erdhalbkugel an die Bodenstelle in Baikonur. Ihm wird mit sofortiger Wirkung und trotz des Silvesterabends, für 24 Stunden der Genuss von Wodka untersagt.

23 Uhr 11: Die Erdbebenwarte im Wermsdorfer Forst nahe Leipzig registriert im Landkreis Hameln-Pyrmont in Niedersachsen ein leichtes Beben. Im E.ON-Kernkraftwerk Grohnde brüllen derweil sämtliche Turbinen jenseits der Belastungsgrenze um Strom nach Thüringen zu transferieren.

23 Uhr 58: In der Gaststätte "Mekong" wacht Studentin Kathleen R. aus einem kleinen Alkohol-Schlummer, freut sich, dass die Party immer noch läuft und sie den Jahreswechsel noch nicht verpennt hat, geht vor die Tür um mit den anderen Gästen zu feiern und wundert sich, dass es draußen schon taghell ist.

23 Uhr 58 und 30 Sekunden: Kathleen R. nimmt ihr Handy und ruft ihre veste Freundin Petra an, um diese zufragen, ob es bei ihr auch so hell ist.

23 Uhr 59 und 18 Sekunden: In die plötzliche Dunkelheit über Deutschland sieht man aus Richtung Niedersachen einen orangenen Vulkankegel pilzförmig Richtung Himmel aufsteigen. Durch stockfinstere Städte und Ortschaften streifen verwirrte Menschen, Menschen wie du und ich, und feiern im Schein ihrer bengalischen Fackeln und der Sternraketen das neue Jahr. Ein Jahr, dass die Energiewirtschaft in Deutschland, in Europa, ja in der ganzen Welt komplett verändern wird. Dank Edith K. und ihrem Enkel Guntram, aus der Plattenbausiedlung einer Stadt, deren Name hier keine Rolle spielt.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Wissen Sie was Romantik ist?

Wissen Sie was Romantik ist? Ich erzähl's Ihnen mal:

Also neulich, kurz vor Weihnachten, gab es ein
Lehrerkonzert bei uns in Jena von der Musik- und Kunstschule und die spielten "Die schöne Melagone" ... oder heißt es "Magelone". Ich weiß nicht, aber ich meine mich noch erinnern zu können, dass die Dame sehnsüchtig-melancholische Liebeslieder sang und deshalb heißt sie wahrscheinlich Melagone. Jedenfalls gab es 15 Romanzen von Johannes Brahms, Opus 33, mit Uwe Anrecht (Bariton) und Helga Assing (Klavier). Zurück gehen die 15 Romanzen ja auf 'Tausendundeine Nacht' und da auf die Geschichte des Prinzen Kameralzaman von Khaledan und der chinesischen Prinzessin Budur. Kennen sie vielleicht, oder? Bei uns zu Lande besser bekannt als Graf Peter von Provence.

Im Original jedenfalls
begehrt Prinz Kamaralzaman, der Herrscher von Khaledan, bei einer Rast im Walde die schlafende Prinzessin Budur. Kaum hat er sie entkleidet, raubt eine Elster den Talisman, den die Prinzessin am Körper trägt. Prinz Khaledan verfolgt den Vogel und verirrt sich dabei in fremde Länder. Nach einer Reihe von Abenteuern gelingt es ihm, dem Vogel den Talisman zu entwenden und er findet gleichzeitig einen Goldschatz. Auf seiner Heimreise verschläft der Prinz die Abfahrt des Schiffes; der Schatz kommt ohne ihn im Palast von Khaledan an, wo die Prinzessin Budur mittlerweile die Regentschaft übernommen hat und sehnsüchtig auf ihren Prinzen wartet. Prinz Kamaralzaman jedoch muß noch einige Jahre durch die Welt ziehen, bis auch er wieder wohlbehalten zu Hause ankommt.

Das ist, gelinde gesagt, nicht ganz so romantsich, wie man es erwarten würde und deshalb hat sich Wilhelm Tieck 1828 der Sache angenommen und die Geschichte romantisiert. Bei ihm hat sich d
er jugendliche Graf Peter von seinen Eltern in der Provence verabschiedet und ist auf eine Abenteuerfahrt gegangen. Allerdings bereits in Neapel verliebt er sich in die Königstochter Magelone und schenkt ihr drei Ringe als Unterpfand seiner Liebe. Dieses Mal raubt aber ein Rabe die Ringe. Peter verfolgt den Vogel, die Ringe fallen ins Wasser und werden von einem Fisch verschluckt. Magelone hat sich mittlerweile aus Trauer in eine idyllische Schäferhütte zurückgezogen, wo sie beim Spinnen ihrem Liebsten die bereits erwähnten melancholisch-melancholischen Lieder nachsingt.

Auf der Jagd nach den Ringen gerät Graf Peter in Gefangenschaft des Sultans. Des Sultans Tochter Sulima verliebt sich in ihn und will mit ihm zusammen fliehen. Peter, der glaubt, Magelone sei inzwischen vor Kummer gestorben, geht zunächst auf Sulimas Angebot ein, doch dann denkt er herzzerreißend an Magelone und rudert allein aufs Meer hinaus, wo er von einem französischen Schiff aufgegriffen wird. Wieder in der Provence angelangt, wird der erschöpfte Peter von einer Schäferin gesundgepflegt, die sich schließlich als Magelone zu erkennen gibt.

Sehen sie: das ist romantisch. Die Zeit in der es geschrieben wurde, heißt deshalb: die Romantik und entsprechende Bücher ... richtig! ... Romane. Sooo ... wieder was gelernt.

Sonntag, 14. Dezember 2008

Justin Tyler Blue

Hallo, ick bin siem Jahre und meen Name iss Justin Tyler Blue, wah. Also det sinn meene Vornamen. Mit die Nachname heißt isch Geier ... weiß der Geier warum. Meene Oma wollte ja, dat ick George heißen sollte, wegen dem George Clooney, abba dat war nich drin bei meen Eltern. Also ick meene bei meina Mutta, weil mein Erzeuger, der hatte sich seinerzeit ja schnell verpisst jehabt.

Als Mama ihm jesteckt hat, dat se mich kriegen würde, hat der nur jesaacht - so wurde et mir aus verlässliche Quellen erzählt - "Mach dich von Acker, Schlampe. Willst mir jetzt das Balg anhängen. Weiß ich, mit wem du alles in die Kiste warst. Madam hat ja nischt anbrennen lassen. Fick dich, Alte. Und komm mir ja nisch mit Kohle, Schlampe." - Ja, so war det. Ick finde det ja voll scheiße, weil bei meiner Mutta brennt ständig det Essen an, von wegen: 'Hat nischt anbrennen lassen' und so. Voll die scheiß Sprüche. Det ham wa jerne. Erst mit meene Mutta wat rünvögeln un se dann hängen lassen, also neh. Abba, iss mir sowieso egal, wat mit dem Arsch iss. Ick hab ja jehört, dat der gerade wieder sitzt ...
wurde mir aus ne verlässliche Quelle erzählt.

Und deshalb wollte meine Mum mal wat vom ihr Leben ham und so wurde ikke Justin Tyler Blue jenannt.

"Unn wenn ick jroß bin, dann werd' isch Ghetto Rapking
Dat find isch cooler als wie Kidnapping
Oder ständig Kohle von Hartz IV
Hallo, Leute, wo leben denn wir
In unsrer Welt dreht sich alles nur ums Geld
Ich hab schon drei Laster von bestellt
Und ich bin ein Typ der verspricht was er hält.

Ich bin der Geld-Held, der größte der Welt-Held
Der verspricht was er hält-Held und d
en nichts davon ab-Held"

Freitag, 5. Dezember 2008

Wortschaften

"Die Wahrheit überdas Lügen" heißt eine neue Schallplatte von Jan Ulrich Max Vetter, der seinen Namen bereits vor Jahren geändert hat, da er der Merinung war unter Jan Ulrich könnte er keine Karriere machen, und da er gerne in Urlaub fährt hat er sich einst den Namen Farin Urlaub zugelegt. Das war jetzt die Wahrheit, die volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr ich Gott heiße. Goggeln Sie's doch mal nach.

Jan Ulrich Max Vetters Künsterlenamen hat bei mir die Horst Köhler Geschichte abgelöst, die ich sonst immer an dieser Stelle erwähnt habe. Weil ja inzwischenjeder weiß, dass Herr Horst Köhler vor Jahren schon seinen Namen abgelegt hat und als Guildo Horn firmiert, da er eben auch dachte, dass man als Horst Köhler in Deutschland nichts Großes leisten kann. Das ist jetzt überhaupt nicht politisch gemeint. Ja, doch ... ich weiß doch, dass Sie danach lechzen, dass ich hier auch mal ein paar politische Statements loslasse, sozusagen der herrschenden Klasse ihre Klasse um die Ohren haue ... nein, nein. Bei mir werden Sie selten ein bis gar kein Wort über unsere Polite-Elitiker hören, unsere Volkswagenvertreter und Gesinnungsnomaden im Berliner Regierungsviertel. Selten ein bis kein Wort. Haben wir uns verstanden?

Es geht mir doch um etwas ganz anderes. Unsere Sprache beherbergt einige Wortschaften, die mißverständlich sind weil sie einmal so und einmal so verstanden werden. Nehmen wir einmal die Situation, dass jemand eine wichtige Sache einfach verschwitzt hat. verschwitzt, da habe ich mir als Kind einen Eiswürfel vorgestellt, der sich langsam ins Nichts auflöst, bis am Ende sogar der feuchte Fleck verschwunden ist. Verschwitzt. "Also, ick hab det, offen jesaacht, verschwitzt." Verschwitzt: Wortstamm verschmitzt. Ist doch gar nicht so schlimm, oder. Der hat das verschwitzt, was solls.

Wenn Sie aber morgens in der Straßenbahn stehen und vor ihnen steht jemand mit verschwitzten Klamotten - Aber Hallo! Da kann der noch so verschmitzt lächeln ... oah. Dabei hat der vielleicht die ganze Nacht gearbeitet. Ehrlich gesagt wäre man froh, der hätte seine Nachtschicht verschwitzt. Hat er ja auch. Sonst würde er ... oah ... nicht so ... oah. Solche Gedanken mache ich mir täglich, warum und wieso wir in unserer Sprache solche Wortschaften zustande bringen und ob man nicht bessere Ausdrücke für solche Sachen finden kann. Ehrlichere. Für ich gehört zur Wahrheit über das Lügen aber nicht die direkte Art der Bezeichnung einer Sache. Bei den Frauen im Büro war, das ist schon Jahre her und deshalb kann ichs ja hier einmal erzählen, Herr Kanneberg nur 'Stinki'. Unerträglich. Unerträglich. Nicht Herr Kanneberg, obwohl ... oah ..., nein, ich meine diese direkte Respektlosigkeit: 'Stinki'. Aber auch das andere Extrem gibt es. Leute, auf die man angewiesen ist als Fahrer oder Helfer und die kommen zu spät und sagen dann eben nicht "Oh, ich hab das verschwitzt." sondern kurz und schmerzlos. "Ick hab verpennt. War 'ne lange Nacht mit der Tussnelda von jestern Abend, det sach ick Ihnen." - So was kann mir den ganzen Abend ruinieren.

Was kann man da machen? Gibt es neue Wotschaften zu entdecken? Was wäre adequat? Es darf nicht verletztend oder beleidigend sein und darf andererseits nicht wütend machen. - Um es mit den Kindern der 'Sesamstraße' zu sagen: "Wozu habt ihr Kopf und Hände? Denkt euch selber mal was aus!"

Dienstag, 2. Dezember 2008

Wesentliche Dinge

Ich habe heute Abend wieder einen wahren Parcour an Texten zusammengestellt. Für Sie. Doch, doch: da müssen Sie drüber. Und...wie meinen?..."Parkuhr"...also, das ist doch - Habe ich mich denn noicht deutlich ausgedrückt: "einen Parcour" hatte ich gesagt. Das ist Französisch und hat mit einer Parkuhr nicht zu tun.

Ich schlage s Ihnen gerne nach. Da ich es ja bereits vorgeschlagen hatte, macht mir das NAchschlagen nichts aus...Nachtreten sochn, aber nicht nachschlagen. Hier: "PARCOUR, franz. "Strecke", bezeichnet allgemein eine Strecke mit vorbereiteten Hindernissen. Sehen Sie, das ist ein Parcour. Was haben wir denn da noch. "Parcour", "Parfait", "Parforce". "Parforce" geht auch. Das ist vielleicht sogar noch besser.

Ich habe heute Abend einen wahren Parforceritt mit Ihnen vor. Im Parcour. Natürlich. "Parforce"...bis 2001 wusste ich nicht, das es so was gibt: "Parforce". Ich kannte nur den deutschen Begriff "mit Gewalt". Ein "Parforceritt" ist demnach ein "Gewaltritt". Kennen gelernt hatte ich das, als ich 2001 im "Parforcehof" bei Bernburg auftrat. Bei der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU. Damals war Angela Merkel noch gar keine Bundeskanzlerin gewesen. Nein, nein. Die ist auch gar nicht dabei gewesen, damals. Ich hatte nur meiner Tochter versprochen, dass ich Angelea Merkel heute Abend erwähne. Die ist ja übrigens mit einem Herrn Sauer verheiratet. "Eine gute Wahl"...das sage ich auch immer zu meiner Frau.

Und darauf sagt die mir immer: "Ja, ja. Aber die Merkel hat ihren Nachnamen behalten. Nicht wie ich." "Nicht wie Du", antworte ich dann. "Überhaupt ist die Angela Merkel ganz anders als Du", sage ich." Woher willst Du das denn wissen", sagt Maria. "Ach, das denke ich mir so. Zum Beispiel ist sie Physikerin und hat promoviert." "Was hat die?", fragt Maria. "Promoviert, also ihren Doktortitel gemacht. Dr. Angela Merkel. Das klingt ganz anders als Frau Maria Sauer...also...äh...viel schlechter."

Wie kam ich drauf? Ach so, wegen des "Parforcerittes" im "Parcour" meiner Texte. Als dann: Konzentrieren wie uns auf die wesentlichen Dinge des Lebens. Kanzler oder Kanzlerin sein, dass kann ja schließlich jeder. Aber wir selbst sein, das können nur wir. Jeden Tag, jede Stunde, jeden Herzschlag lang: wir selbst. - Sehen Sie, das sind die wesentlichen Dinge des Lebens: "Wir!"

Falscher Fünfziger

Ich will ja nicht zum Propheten werden, aber zu meinem 50. scheint sich etwas anzubahnen, von dem ich nichts erfahren darf. Das ist zumindest mein Gefühl, aber da man sich nicht nur auf sein Gefühl verlassen soll, stützt sich mein Gefühl auch auf folgende sieben Indizien:

1. Indiz: Meine Frau Maria erklärte mir schon vor Wochen, dass sie eine kleine unbedeutende Feier zu meinem 50. Geburtstag organisieren wollte, aber leider hätte zwischen dem 1. und dem 6. Dezember so gut wie niemand aus der Familie und unserem Bekanntenkreis Zeit dafür. Schon gar nicht am Samstag, den 6. Dezember, da dies ja bekanntlich der Nikolaustag sei und da hätten alle überhaupt keine Zeit wegen Nikolaus.

2. Indiz: Ich wurde gestern 50 und man gratulierte mir telefonisch, kaum jemand kam persönlich um zu gratulieren, nur mein Freund Lutz ... und auch der kam zwei Stunden später als angekündigt. Abends saß ich am Schreibtisch und Maria fragte, was denn so dringend sei. Ich zeigte ihr die sieben gerade frisch geschriebenen Briefe an meine Verwandschaft und Freunde, in denen ich ihnen bedauernd mitteilen musste, dass ich, wenn sie mich nicht mehr schätzen würden, auch ich auf ihre Besuche keinen Wert mehr legen würde. Maria war entsetzt.

"Nun warte doch erst mal ab. Vielleicht kommt ja doch noch jemand." "Wann denn? Möglicherweise zu Nikolaus?" fragte ich. "Nein, nein, natürlich nicht", sprach Maria. "Da kann ja niemand. Aber als Ausgleich, weil niemand kommen kann, habe ich eine Überraschung für Dich. Wir gehen zu Nikolaus ins Kino." "Aha", sagte ich. "Und in welchen Film?" "In den neuen Film mit Woody Allen." - Mehr brauchte ich nicht zu wissen. Maria geht freiwillig in einen Woody Allan Film? Das ist ungefähr so wahrscheinlich, als wenn der amerikanische Präsident in China eine Tele-Tubbi-Konferenz eröffnet, wobei dies, wenn ich es mir recht bedenke, sogar noch wahrscheinlicher ist, als das mit meiner Frau und Woody Allan ... was aber vom jeweiligen Präsident abhängt. Ich für meinen Teil wäre übrigens gerne in 'Madagascar 2' gegangen, aber mich kommt es ja nicht an.

3. Indiz: Mein Vater brauchte dringend eine spezielle Beton-Bohrmaschine. Ich habe so eine, aber da er ja in nächster Zeit nicht zu uns kommen konnte oder wollte, hatte ich die Idee, sie ihm mit der Post zu schicken. Maria hörte das und sagte: "Was für ein Quatsch. Gib sie doch Deinem Vater mit, wenn Deine Eltern kommen." Ich schaute Maria ungläubig an. "Äh" machte Maria und fügte nach einer kleinen Sprechpause an. "Äh, wollten Deine Eltern nicht zu Weihnachten kommen." "Nein" antwortete ich ihr.

4. Indiz: Als Maria mich letzte Woche darum bat, von Ihren Schreibtisch ein Buch zu holen, da lag neben dem Buch eine Liste mit Namen, die mir alle wohlbekannt waren. Neben vielen dieser Namen waren Häkchen. Ich habe darüber natürlich kein einziges Wort verloren.

5. Indiz: Meine Frau hat von ihrem Arbeitgeber überraschend mehrere Tage Urlaub bekommen, einfach so, und macht seitdem Weihnachtsputz. Mit jedem Tag wird unser Haus schöner und sauberer. Es ist schon eine Schande, dass niemand aus dem Verwandten- oder Freundeskreis dieses blinkende und blitzende Haus sehen. Eine Schande ist das. Wirklich.

6. Indiz: Auf meine Frage, ob bei meinen Eltern alles klar geht, schauten mich meine Frau und die beiden Kinder mit großen Augen an. "Ich meine mit der neuen Wohnung", sagte ich. "Ach so", antworteten sie. "Mit der neuen Wohnung. Da geht wohl alles klar."

7. Indiz: Maria selbst hat mir noch nichts geschenkt. Sie habe "ein großes Paket" über unsere Tochter bei eBay bestellt und das sei noch nicht angekommen, wie das ja gelegentlch bei eBay der Fall sei. Aber ich solle mir keine Sorgen machen, am Wochenende käme es wahrscheinlich an. Schön, dachte ich mir, aber leider nicht an Nikolaus, denn da hat ja doch keiner Zeit.

Nun stelle ich mir den Samstag folgendermaßen vor: Morgends wird gebacken und gekocht, einfach so, Weihnachtskochen nennt man das. Eine Tradition ohne näheren Hintergrund oder Vorwand. Wahrscheinlich eine alte, kaum bekannte Nikolaustagtradition?

Gegen Mittag werden die Betten frisch überzogen, dann macht sich Maria fein und fordert mich auf, das Gleiche zu tun, weil im Kino ist die Kleidung ja bekanntlicher weise besonders wichtig. Dann werden wir uns Richtung 'Schillerhof' aufmachen, denn dort ist das einzige Kino in 30 Kilometern Umkreis, in dem der neue Woody Allan Film läuft. Praktischerweise verfügt der 'Schillerhof' auch über eine Gaststätte, die aber leider, soviel habe ich durch eine diskrete telefonische Nachfrager erfahren, am Nikolaustag wegen einer geschlossenen Gesellschaft nicht geöffnet hat. Auch Mick, mein Freund und Gitarrengott, der mir, so versprach er es mir im Sommer, gerne zum 50. ein kleines Ständchen gebracht hätte, ist am Samstag ausgebucht, so besagt es seine Internetseite.

In der Nähe des 'Schillerhofs' werden mir dann bereits einige auswärtige Autokennzeichen auffallen (die Parkmöglichkeiten am 'Schillerhof' sind wie immer äußerst eiungeschränkt) und bei den dazugehörigen Fahrzeugen werden Erinnerungen wach. Maria schaut die Auton nichtan und hofft nur, dass ihr niemand die Überraschung für mich verdirbt. Auch ich werde das natürlich respektieren und nicht noch im letzten Moment meine bequeme alte Strickweste anziehen oder darauf bestehen, dass wir ins Kinocenter zu 'Madagaskar 2' gehen.

So gesehen bin ich ein falscher Fünfziger ... oder. Aber ich freue mich schon auf Nikolaus. Und wehe es gibt dann nur einen Film von Woody Allan. Unter einer kleinen, mir gewidmeten, Klarinettenummer von ihm läuft bei mir da gar nichts.