Meine Ex-Chefin sagte einst, als sie dachte, ich hätte etwas ausgefressen und ich mich für mein Tun rechtfertigte: "Ich weiß, Sie können alles erklären". Der Menschenkenner und Niederrheiner Hanns Dieter Hüsch sagte immer: "Der Niederrheiner weiß nix, kann aber alles erklären". Ich würde da schon einen Schritt weitergehen und sagen: Der Deutsche kann allgemein betrachtet alles erklären und benutzt, wenn er sich dafür rechtfertigen will, eine Kelle aus seinem Kessel mit Sprichworten. (Ob es nun Sprichworte oder Sprichwörter heißt, darin ist sich der große Google nicht ganz einig ... 998.000 Treffer gab es für Sprichworte und 997.000 für Sprichwörter. Mir sind Worte lieber als Wörter, letzteres klingt mir auch zu sehr nach Aufsehern.)
Und wenn ich sage 'Der Deutsche kann allgemein betrachtet alles erklären', dann meine ich das auch so. Es gibt für jede Situation einen passenden Spruch und für das genaue Gegenteil einen ebenso passenden. Nehmen wir einmal die Situation, dass es ein Mensch mit viel Ehrgeiz und dem notwendigen Durchsetzungsvermögen geschafft hat, sein Ziel zu erreichen. Da hört man oft, dass das Glück mit den Tüchtigen sei. War er jedoch bei Lichte betrachtet faul und hat absolut nichts für seinen Erfolg getan, was ja das Glück wohl eher strapaziert hätte, dann kommt der, fast schon syntaktisch in althochdeutsch abgefasste, Hinweis "Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf", was ja nun wohl unzeifelhaft nur für religiöse Menschen gelten sollte aber weit öfter auch über Heiden geäußert wird.
Ebenso verhält es sich mit Freundschaften, wobei hier ein Sprichwort das andere jagt. "Besitz findet Freunde" sagten schon die alten Römer und auch damals war wohl schon der Grundsatz, dass Geld die Freundschaft erhält wohlbekannt. Die Comedian Harmonists brachten wahre Freundschaft auf den Punkt, als sie sangen: "Liebe vergeht, Liebe verweht, Freundschaft alleine besteht. Ja, man vergißt, wen man vergißt, weil auch die Treue längst unmodern ist. Ja, man verließ manche Madam', wir aber halten zusamm. Ein Freund, ein wirklicher Freund, das ist doch der größte Schatz, den's gibt."
Während man aber im privaten Bereich noch halbwegs entscheiden darf, wer zu einem passt und wem man deshalb seine Freundschaft anbietet, so hat man als Deutscher und Staatsbürger die Entscheidungen seiner Regierung zu respektieren. Da kommt es dann schon mal zu Zwangsfreundschaften, die man pflegen muss, die einem persönlich aber unendlich wenig bedeuten. Heinz Rudolf Kunze hat einmal gesagt, die Deutschen seien heute schon mit Ländern befreundet, in denen man früher mit dem Panzer nicht einmal zum Tanken gehalten hätte, was nicht ganz stimt, ich habe es im Atlas nachgeschaut und die Länder, in denen wir früher mit dem Panzer unterwegs waren sind, bezogen auf den Weltkrieg II, allesamt so groß, dass man ohne zu tanken aufgeschmissen ist, und im Weltkrieg I waren sie zwar kleinen aber da kam man auch nicht so weit, dass man mit einem Rutsch hätte durchbrettern können; außerdem besagte damals der Name 'Tank' wirklich restlos alles, was es zumThema Treibstoff verbrauch zu sagen gäbe. Kunze lag also falsch und opferte für die billige Pointe die geschichtliche Korrektheit. Vielleicht hat es Kunze auch metaphorisch gemeint und damit sagen wollen, dass ihm die zwangsbestimmte Zwangsbefreundung zu weit geht. Aber heißt es nicht in einem Sprichwort, "Jedermann will einen Freund haben, aber niemand gibt sich Mühe, auch einer zu sein"?
Es liegt also an uns, Freundschaften zu pflegen, den Türken auch mal zu gratulieren, wenn sie die Deutsche Mannschaft im Fußball besiegen, Afrikanern dankbar dafür zu sein, dass Homo, der Mensch, einst auf seinem Grund und Boden entstanden ist, Polen gut zu finden, die im strukturschwachen Vorpommern Waren herstellen, 'Made in Germany'. Aber was machen wir? Viele von uns fühlen sich von den in Deutschland lebenden und arbeitenden Türken belästigt, wollen alle Afrikaner am liebsten heute als morgen zurück in den Dschungel verfrachten und den Polen klarmachen, wo aus unserer Sicht immer noch die deutsche Tolleranzgrenze liegt. Von schlimmeren Exzessen ganz zu schweigen. Weil das ja eine deutsche Tugend ist, das Totschweigen bestimmter Vorkommnisse. Ich finde, wir sollten nicht schweigen, wir sollten auch nichts anbrennen lassen, keine Länder, keine Häuser, keine Menschen.
So gesehen fühle ich mich gelegentlich eher mit den USA oder Rußland zwangsbefeundet, als mit Polen, Türken oder Afrikanern. Andererseits halfen die Amerikaner und Russen uns nach dem Krieg zu überleben. und sgt man nicht auch "Ein Freund ist ein Mensch der zu dir kommt wenn andere gehen"? - So geht es mir oft, ich bin eben ein richiger Deutscher. Ist es nicht so, dass Freunde wie Klamotten sind. Wenn man jung ist kann man nicht genug davon haben, doch mit der Zeit stellt man fest, es sind immer die gleichen, mit denen man sich wohlfühlt.
In diesem Sinne ...
(aus: "Was hinter einem vorgeht - Ein neues Programm"/2008)
Dienstag, 24. Juni 2008
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