Montag, 15. September 2008

Glaube niemals, was geschrieben wird

Da schlage ich ohne große Hintergedanken die Samstagsausgabe der Lokalzeitung auf, will Meldungen wie 'Schnelles Ende einer Alkoholfahrt' oder 'Der mörderische Löwenzahn schlägt zu' lesen und wer lächelt mir da unerwartet auf einem Großfoto entgegen? Eula Kaiserberg, meine Kunstfigur und Romanheldin, zudem eine Frau, die ich besser kenne als viele andere, ist Topthema und belegt die obere Hälfte der Seite 1. "Im Alltag nehmen mich die Leute als Frau eines Rockstars gar nicht wahr" lautet die Überschrift und, falls ich es bisher zu erwähnen vergaß, entschuldige ich mich dafür, es geht natürlich um ihre großartige Beziehung zu dem Sänger, Musiker und Komponisten Franz Andre Korff. Der Künstler hatte seine Eula kennengelernt, als er ... ach lassen wir die Dame doch selbst und mit ihren eigenen Worten berichten, was wirklich geschah.

"Ein kleiner Plausch am Stehtisch in Hamburg während einer Party des Bundeswirtschaftsministers, ja, das war der Anfang", erzählt sie. "Es folgte ein 'Hallo' nach einer Lesung in Binz an der Ostsee neun Monate später und in Kürze sind wir als Ehepaar verheiratet. Franz Andre Korff nebst Gattin Eula - ist das nicht verrückt?", fragt sie die Leser. Und in der Tat: das ist es, wenn man bedenkt wie alles anfing. Damals, als der Musiker FAK gerade Silberhochzeit feierte (keine Traum-Silberhochzeit, aber immerhin!); auch Eula, geborene Liebschütz, geschiedene Führer, war noch ihrem Berliner PDS-Mann Udo Kaiserberg verheiratet und arbeitete an einer Hörfunk-Dokumentation mit über ... Franz Andre Korff.

Man muss wissen: Eula Kaiserberg, gerade in Ausbildung zur Kommunikationstrainerin, hatte sich im Rahmen der Langzeit-Dokumentation "Das Leben des Franz Andre Korff" eine große redaktionelle Aufgabe gesetzt. Sie wollte alles über ihn in Erfahrung bringen, seine Vorlieben oder Abneigungen, politische Ansichten oder die Lieblingszigarrenmarke, seine Vermögensverhältnisse, die bevorzugte Art der Hotelunterbringung, Korffs Übergewicht, Fahrverhalten - Eula fand all das heraus, sogar
dessen Affäre mit der blonden Sabine aus Leipzig. Sie erstellte eine 'Korff-Liste', befestigte sie wie einen Kalender an der Wand und konnte plötzlich in ihm und seinem Leben lesen, wie in einem Buch. Das erleichterte die Arbeit an der Hörfunk-Dokumentation sehr und wohl auch einige andere Dinge.

Korff war damals zwar verehelicht, stand jedoch als bohèmischer Künstler
während seiner Konzertreisen dem weiblichen Geschlecht nicht wirklich ablehnend gegenüber. Angebote gab es für ihn, den gefeierten Rockstar, genügend, darunter die Dame aus Leipzig, welche mit allen Vorzügen der Weiblichkeit mehr als ausgestattet war und mit der Korff oft und gerne auf gleicher Augenhöhe oder tiefer kommunizierte. Bleibt die Frage, wie er schließlich eine eher unscheinbare Person wie Eula erwählen konnte, deren kaum vorhandene Oberweite mit ihren leicht strähnigen Haaren konkurrierte, von denen wiederum nur die kleine Nickelbrille ablenken sollte?

Da kennen sie aber Eula wirklich nihct gut, denn 1.) widmet sie sich allem, was sie sich vornimmt, gut vorbereitet und mit vollster Hingabe und Leidenschaft und 2.) ist ihre Lieblingsphilosophie als Kommunikationstrainerin die folgende: "Wenn sie eine Kiste voller reifen Tomaten haben, welche fällt ihnen da auf?" Genau: Die einzige grüne.
Deshalb klingt sie ebenso unschuldig, wie Angela Merkel, die sich darüber wundert, dass sie gerade Kanzlerin geworden ist, wenn sie der Reporterin erzählt: "Damals in Binz hat er mich erstaunlicher Weise sofort wieder erkannt".

"Wer ich bin, oder besser zu wem ich gehöre, fällt außerhalb meines Freundeskreises den Wenigsten auf und das ist auch ganz in Ordnung so", sagt
Eula, geborene Liebschütz, geschiedene Führer, geschiedene Kaiserberg, demnächst Frau Korff, und könnte dabei so glücklich sein. Doch sie ärgert sich über "teils dubiose Geschichten aus dem Privatleben", die die allmählich doch steigende Bekanntheit nach sich ziehen würde. "Man wird mit der Zeit immun gegenüber den angeblichen Tatsachen, die über die eigene Person in den Medien kursieren", sagt Eula, und die Reporterin beschreibt sie dabei als etwas nachdenklich, was angesichts ihres nicht ganz unerheblichen Fundus an einstmals von ihr geliebten Menschen richtig ehrlich rüberkommt.

Nach dem ersten öffentlichen Auftritt zusammen mit ihrem künftigen Ehemann Nummer 3, sagt Eula Kaiserberg, habe sie den Fehler gemacht, die erschienenen Pressetexte zu lesen. "Da habe ich schon einen Anflug von Angst gespürt, dass jetzt irgendwelche Leute irgendwelche Dinge über mich behaupten, die ich nicht kontrollieren oder richtig stellen kann." Gut, dass Franz Andre ihr da den wohlgemeinten Rat gab: 'Glaube niemals das, was über dich geschrieben wird'.


Korff, den Mann, der Lieder, Musicals und Bücher schreibt, auf seinen Konzerten zig Tausende begeistert und den sie "eher zufällig" kennengelernt habe, wie Eula immer wieder gebetsmühlenartig betont, ihn liebe sie nur "um des anderen Menschen willen", nicht wegen des Geldes, des Künstlers oder des Ruhmes. "Seine Musik mochte ich" spricht Eula im Interview. "Ich war auch auf ein oder zwei seiner Konzerte und hatte vielleicht auch die eine oder andere CD von ihm.", fügt sie an. Und da werden sie auch schon wieder präsent: Eulas Sorgen. Man könnte über ihre Arbeit an der Hörfunk-Doku berichten und den vierzehn Korff-CDs, die sie noch immer nicht zurückgegeben hat. Von Eulas Korff-Konzert-Besuchen in einem halben Dutzend Städten, bei denen ich persönlich an ihrer Seite stand; von Abstechern zu Lesungen Franz Andres mehr als ein Jahr vor dem ersten 'eher zufälligen' Aufeinandertreffen, ganz zu schweigen.

Unter dem Titel DIE TRÄNERIN hatte ich Eula damals sogar das folgende Gedicht gewidmet:
"sie reist ihm nach in fremde städte
hängt an ihm dran, wie eine klette
denkt sich ihr herz aus
blättert in briefen
vergilbte träume
die lange schliefen
hofft auf ein wunder
darauf, dass er sie rette
und reist ihm nach in fremde städte"

Ihr Lebensmittelpunkt sei jetzt an einem anderen Ort, sagt Frau K. der Reporterin, ihr Leben aber nicht anders als früher. Öffentliche Termine, Interviews und Fotostrecken baue sie mittlerweile routiniert in ihren Terminplan ein, obwohl sie am "Erste-Reihe-Sitzen" bei Galaveranstaltungen immer noch keinen Gefallen gefunden habe, was durchaus traurig ist, war dies doch einmal ein wesentlicher Teil ihres Geschäftsmodells gewesen. Mit
"Zu meinen Kernkompetenzen gehört es, Problemfelder schnell und intuitiv zu erfassen und treffsicher zu analysieren. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Analyse entwickle ich mit meinen Kunden in kurzer Zeit kreative Lösungsmöglichkeiten, damit sie schnell in die Erste Reihe aufrücken", hat Eula auf ihrer Homepage geschrieben und angefügt "Ich unterstütze die Teilnehmer dabei, diese Veränderungen zu steuern". Durchaus clever, denn so kann nachher niemand sagen, er hätte es nicht gewusst.

"Weißt Du Rainer", sagte sie mir, als wir uns noch
duzten, "Eigentlich fehlt mir nur noch ein prominenter Kunde, der mir hilft, als Kommunikationstrainerin bekannt zu werden. Egal ob aus der Politik, dem Sport oder der Unterhaltungsbranche." Wenige Monate später dann lernten Eula und Franz Andre sich, erst in Berlin flüchtig, dann in Binz näher, kennen und verliebten sich ineinander. Kurz danach schwärmte der Rockstar in einer bunten Illustrierten: "Wo die Liebe eben hinfällt. Es ist erstaunlich, dass ich in meinem Leben doch noch einen Menschen finden durfte, der mit mir die gleichen Vorlieben und Interessen teilt, fast so, als ob er meine Gedanken lesen kann." - Genau das scheint mir Eula Kaiserbergs größte Sorge zu sein, kann sie doch überhaupt gar keine Gedanken lesen ...

... weil
es eine Frau wie Eula in Wirklichkeit ja gar nicht gibt. Auch war Franz Andre Korff niemals in Binz gewesen, da ich auch ihn erfunden habe. Und solche zufälligen Begegnungen zwischen Trainerinnen und Künstlern gibt es erst recht nicht, denn die würden je schließlich professionellen Abstand voneinander halten (= alte Trainerregel).

Ich bekenne also: Ich habe die ganze Geschichte vom Anfang bis zum Ende frei erfunden, wie alle meine Geschichten über Eula Kaiserberg. Wahr an dieser Geschichte ist lediglich der Anfang: die Samstagsausgabe der Lokalzeitung.

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