Früher war das Telefonieren einfach. Man wählte ein 'Amt' und wurde verbunden. Oder man konnte selbst telefonieren. Jedenfalls (mit der Betonung auf 'falls') wenn man einen eigenen Telefonanschluss hatte und nicht gerade die Nachbarin an der Tür klingelte, weil sie einen dringenden Anruf erwartete. Telefonapparate waren Fernsprecher, die sonstigen Gespräche wurden zwischenmenschlich erledigt. Früher gab es auch noch gelbe Telefonzellen, teilweise mit kleinen Warteschlangen vor der Tür, weshalb mit große Lettern "Fasse dich kurz!" an ihnen stand.
Dann kam mit dem Ende der DDR die Einführung flächendeckender Mobilfunknetze, was nichts miteinander zu tun hat und trotzdem interessant ist. Mit dem Mobilfunk kam das Handy, wie wir Deutsche es getauft haben, in unsere Hände und Taschen und erregte anfangs nicht nur wegen seiner Größe sondern auch wegen seiner Meldetonsignale, die an die frühen Videospiele erinnerten (künstlich, nervig, sinnlos), Aufsehen.
Also besannen sich die Hersteller, was man am Klingelton ändern könne. Vorweg: Ein Klingelton ist üblicherweise ein Signalton, der von einer Klingel erzeugt wird. Bei Mobiltelefonen wurde die Klingel aber erst elektronisiert und dann durch einen Lautsprecher ersetzt, der bei einem ankommenden Anruf irgend etwas wiedergibt, was nicht im geringsten einer Klingel ähnelt, sondern eher an Melodien, Sprüche und Geräusche erinnert.
Da heute jeder Deutsche Mensch statistisch gesehen mindestens ein Handy hat, wäre es natürlich fatal, wenn alle Handys den gleichen Klingelton hätten. Man denke nur daran, wie das im Ausland ankäme, wenn alle Bundestagsabgeordneten beim ersten Klingeln gleichzeitig ihr Handy aus der Tasche holen und dann gemeinsam den rechten Arm mit flacher Hand auf Augenhöhe schräg nach oben strecken, um zu sehen, wer anruft oder um einen besseren Empfang zu bekommen. Das wäre sogar grundgesetzlicherseits verboten.
Also läd sich jeder auf seine Handy einen möglichst individuellen Klingelton, denn "... an ihren Tönen sollt ihr sie erkennen", wie schon die Bibel sagt: 1. Buch Johannes, Kapitel 2 oder so ähnlich. Jedenfalls gibt es da die unterschiedlichsten Klingeltöne, vom furzenden Eisbär über das kotzende Pferd zum singenden Hasen, vom neuesten arabischen Schlager über eine lachende Lokomotive zum politischen Statement ("Wählen sie Kanzler 1 für Bismarck, Kanzler 2 für Hitler, Kanzler 3 für Adenauer, Kanzler 4 für Schmidt, Kanzler 5 für Merkel!"). Oder es meldet sich die Stimme des Papstes und sagt: "Mein Sohn, du hast Post." Alles ist heutzutage möglich und trotzdem kommt es mir vor, als wenn es den Menschen sogar ein klein wenig peinlich ist, wenn man ihren individuellen Klingelton zu hören bekommt.
Noch peinlicher sind aber gelegentlich die Gespräche, die man unfreiwillig mit anhören muss. Gestern hatte ich die Tür meines Büros offen und auf dem Gang war plötzlich ein Nebelhorn zu hören, gefolgt von einem Krachen und Bersten, den panischen Schreien Ertrinkender und in all dem Chaos sang Celine Dion 'My Heart Will Go On'. Allerdings nicht lange. Nach dreißig Sekunden (oder gefühlten eintausend Ertunkenen) meldete sich im Flur eine Frauenstimme: "Also weeste Schatz, des geht nu gar nüscht. Ich bin uffm Amt seim Flur un warte un du rufst mich hier so mir nüscht, dir nüscht an, also weeste! Abba des machste ja überall mit mir, egal wo! Also: machs nich gut, machs schön, Alter."
Viele Menschen sind zu gut erzogen, um mit vollem Mund zu sprechen, haben aber keine Bedenken, es in der Öffentlichkeit mit leerem Kopf zu tun. Oder anders ausgedrückt: Erst die Verbreitung von Handys hat uns bewiesen, dass Horror nichts anderes ist als Realität. Haste da noch Töne?
Dienstag, 18. März 2008
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