Neben vielen Vorteilen in Deutschland zu wohnen und nicht in den USA, gibt es auch einige Nachteile. Jedenfalls für den Menschen in der Rolle des Verbrauchers. Zwischen Oregon und Maine gibt es da Dinge, die zwischen dem Niederrhein und Vorpommern undenkbar wären. In einem Vorort von Washington D.C. hatte zum Beispiel ein frisch auf die Richterbank berufener Jurist Klage gegen seine chemische Reinigung erhoben wegen einer im Jahr 2005 verschwundenen Anzug-Hose. Dabei machte er 67 Millionen US-Dollar Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend. Er habe die Hose zu seinem ersten Arbeitstag als Richter tragen wollen, sagte er betrübt, und habe besondere Seelenqualen erlitten, weil er nun nie mehr seinen Liebligsanzug habe tragen können. Dabei berief er sich auf den Werbespruch der Textilreinigung: 'Satisfaction Guaranteed', was ihm also 'Zufriedenheit wird garantiert' suggeriert habe.
Nun sind ja auch Amerikanische Gerichte nicht blöde und man verlangte deshalb von dem armen Mann einen Nachweis, wie sich die 67 Mio. Dollar denn zusammen setzen würden. Dabei machte der Mann geltend:
- die Zahlung von Wochenend-Leihwagenkosten für die nächsten 10 Jahre, damit er seine Wäsche zu einem anderen Geschäft bringen könne
- 500.000 US-Dollar Schmerzensgeld
- 542.000 US-Dollar Anwaltskosten (Er vertrat sich zwar selbst, aber wegen des Streitwertes ...)
- 1.200 Tage die das Schild mit der irreführenden Werbung im Geschäft hing à 1.500 US-Dollar (die Summe entnahmn er einem Verbraucherschutzgesetz) mal drei für das Geschäftsinhaber-Ehepaar und deren Sohn
Die Bundesrichterin ermahnte den Kläger zur Mäßigung, wonach dieser die Klagesumme um 13 Mio. Dollar auf 54 Millionen verringerte. Nicht genug befand die Richterin und wies die Klage als nicht begründet zurück, da der Kläger nicht habe nachweisen können, dass die Betreiber der Textilreinigung überhaupt für den Verlust des Kleidungsstücks verantwortlich waren.
Was wäre in Deutschland passiert, wenn die Klage hier eingereicht worden wäre? Hier hätte man allein wegen Schadensersatz in Form einer neuen Hose klagen können - die amerikanische Klage wäre von den Gerichten wohl gar nicht erst angenommen worden.
Neulich musste ich an den Mann mit seiner hosenlosen Forderung denken und zwar wegen einer Polyethylenterephthalat-Flasche. Das ist jetzt kein chemisches Reinigungsmittel sondern ein thermoplastischer Kunststoff aus der Gruppe der Polyester. Seit 1990 begleitet er uns wie selbstverständlich durchs Leben und zwar in Form der 'unkaputtbaren' PET-Flasche; PET ist nämlich die gebräuchliche Abkürzung von Polyethylenterephthalat.
Die Coca Cola Company führte in Deutschland die PET-Flache kurz nach der Wende ein und heute hat sie fast komplett die Glasflasche ersetzt. Weil sie, so der Werbeslogan aus dem Jahre 1990, UNKAPUTTBAR ist. Man könne die PET-Flasche unbedenklich fallen lassen und nichts weiter würde geschehen. Nur beim späteren Öffnen solle man vorsichtig sein, wegen der gestauchten Kohlensäure. Soweit die Werbung.
Als medientreuer Verbraucher hatte ich diese Information in meinem Gehirn fest gespeichert. Nicht, dass ich jetzt fortgesetzt PET-Flaschen hätte die Treppe hinunter kullern lassen. Ich bin doch nicht Strelitz! Nein. Aber der Spruch gab mir über Jahre eine gewisse Sicherheit und Gelassenheit im Umgang mit den Flaschen. Falls einmal eine heruntergefallen wäre - kein Problem, schließlich sind die Flaschen ja unkaputtbar.
Bis zu dem Tag, als mir im Hausflur eine unkaputtbare Flasche aus der Hand auf den Boden fiel und danach sofort explodierte. Sofort kamen meine Frau und meine Tochter und fragten, ob ich noch leben würde. Von oben bis unten naßgespritz stand ich vor ihnen. Im Gesicht liefen mir auch einige Tränen herunter, die sich jedoch als Flüssigkeit herausstellten, die ich in den Haaren hatte.
Diese Flasche war heruntergefallen und zwar dummerweise genau auf die Kante des Bodens der unkaputtbaren Flasche. Der war komplett abgerissen und der Inhalt hatte sich innerhalb einer Sekunden fontainenartig entleert. Der Druck reichte, um den Inhalt bis an die Decke zu befördern und sonst noch überall hin im gesamten Flur. "Also, du lebst noch" sagte meine Frau. "Na dann kannst du ja auch alles wieder aufwischen".
Eine knappe Stunde lang habe ich mit Lappen bewaffnet jedes einzelne Teil, die Schränke und die Bilder an der Wand gesäubert und mir dabei Gedanken gemacht, wie ich wohl reagiert hätte, wenn mir das in den USA passiert wäre.
Inzwischen weiß ich durch einen Antwortbrief der Coca Cola Company, dass 'unkaputtbar' auf die geringere Bruchanfälligkeit der PET-Flaschen gegenüber den Glasflaschen anspielte. "Sehr geehrter Herr Sauer, 'unkaputtbar' gibt es leider nicht." schrieb mir der Coca Cola Chef für Deutschland und Nordeuropa. Dieser Satz hätte mir in den USA 88 Milliarden Dollar Schadensersatz und Schmerzensgeld eingebracht. Wenn's reicht..
(Nachtrag: Inzwischen musste Deryck van Rensburg, der Coca-Cola-Chef für Deutschland und Nordeuropa, seinen Posten räumen.)
(aus: "Heimatkunde"/2007)
Dienstag, 25. März 2008
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